Fahrenheit reloaded: Der Brief

Die Grünen Gleisdorf
Katharina Schellnegger
23.08.2022


Sehr geehrter Herr Krusche,

Ich komme gerade aus einem beruflichen Meeting zum Thema Relevanz und Wirkung. Und genau auf diesem Feld bewegen wir uns mit der von Ihnen gestarteten Diskussion. Lassen Sie mich das, was vorab schon angesprochen wurde, nochmal etwas bildlicher darstellen:

Stellen Sie sich vor:
Ich stehe auf einer Bühne am Hauptplatz und skandiere laut: „Die Erde ist eine Scheibe!“
Die meisten Passantinnen beachten mich gar nicht oder schütteln nur den Kopf.
Ein paar Claqueure jubeln. Vielleicht weil ich Freibier und Frankfurter versprochen habe.
Aber meine Thesen finden keinen Anklang, obwohl ich den Lautsprecher bis zum Anschlag aufgedreht hab.

Oder die alternative Szene:
Ich stehe auf einer Bühne am Hauptplatz und skandiere laut: „Die Erde ist eine Scheibe!“
Es bleiben immer mehr Leute stehen. Sie reagieren auf meine These, bringen vor allem Gegenargumente.
Mein Publikum wird größer, auch die Gruppe meiner Claqueure, weil immer wieder ein paar der Dazukommenden denken: „Vielleicht ist ja doch was dran, an dem was sie sagt.“
Meine These zieht ihre Kreise und sie bleibt hängen: Die Erde ist eine Scheibe.

Diskurs ist für mich dann möglich, wenn es zumindest eine Basis gibt, von der wir starten, egal wie konträr dann unsere Richtung ist. Wir beide können nicht über globale Schifffahrt diskutieren, wenn eine von uns behauptet, Sie würden nachdem Sie in Spanien wegfahren, ehestbald über den Abgrund stürzen. Und so geht es mir mit den Querdenkern oder Corona-Leugner oder wie Sie sie nennen mögen.

Die freie Rede ist ein Grundpfeiler unserer Demokratie. Alles, was nicht wider gültigem Recht ist, darf geäußert werden. Unsere Demokratie hält das aus. Auch krude Thesen, auch wilde Vorwürfe. Davon bin ich überzeugt. Sie hält das dann aus, wenn es genug gibt, die an sie glauben, in ihrem Sinne arbeiten und über ihre positiven und glücksbringenden Effekte sprechen. Sie hält es aus, wenn es gute Bildung gibt und sich möglichst wenig Menschen als Verlierer empfinden.

Eine starke Demokratie und ihre Zutaten können genährt werden durch theoretische, philosophische Diskussionen oder dort, wo diese wörtlich am Boden aufschlagen. Zum Beispiel in der Form, wie wir unsere Verkehrswege gestalten. Richte ich meine Infrastruktur nach den Stärksten aus oder liegt der Fokus darauf, dass das Schulkind das Maß der Dinge ist, seine Wege alleine bestreiten kann und dort mit Gefährt:innen lernt zu diskutieren, zu streiten, aufeinander und auf sich aufzupassen, Verantwortung zu zeigen und sich als Teil einer diversen Gemeinschaft empfinden kann.

Ich sehe meine Aufgabe als Politikerin darin, nicht auf krude Thesen einer kleinen Gruppe zu reagieren, sondern zu agieren. Die SDGs sind hier eine wunderbare Leitlinie. Und der Politikverdrossenheit, auf die ein Teil der Proteste basiert, will ich damit entgegen wirken, indem ich in einer positiven Grundstimmung meinen Teil zum Bewältigen der großen Herausforderungen, die auf uns warten, beitrage und damit vielleicht auch andere dazu motiviere.

Ein Lautsprecher erzeugt noch keine Relevanz und maximales Volumen bedeutet nicht, dass ich gehört werde. Eine glückliche Gesellschaft bietet keinen Nährboden für die zerstörerischen Kräfte, die aus den dunklen Ecken ganz am Ende der politischen Skala blitzen. Und damit wir ebendiesen resilienten Zustand erreichen, dazu will ich meinen Teil beitragen.

Mit lieben Grüßen,
Katharina Schellnegger


Krusche am 24.08.2022

werte frau schellnegger!

danke für die ausführliche antwort! damit habe ich nun zwei wesentliche puzzlesteine für ein detaillierteres bild, welche politischen positionen im gleisdorfer rathaus aktuell gepflegt werden.

positionen bezüglich aktueller unruhe rund um das thma corona, aber auch gegenüber den ergebnissen und tendezen von rund vierzig jahren politischer arbeit der „neuen rechten“ in europa. denn das drückt sich ja im aktuellen klima unübersehbar aus.

fehlen mir noch zwei andere puzzlesteine, die positionen der freiheitlichen und der sozialdemokratie. ich fände es freilich auch SEHR interessant, ansichten von politischen jugendformationen kennenzulernen, da es diese in gleisdorf ja gibt.

:-)
martin krusche


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