dorf 4.0 / ich bin eine geschichte / feature #5

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Geschichten: Ursula Glaeser, systemischer Coach, Kraubath

"Mein Großvater wurde 1901 geboren, meine Großmutter 1907. Sie haben beide den Ersten Weltkrieg erlebt, aber davon weiß ich nichts, da wurde nicht geredet, wir haben nicht gefragt. 1930 wurde meine Mutter geboren, 1963 ich. Mir ist in Erinnerung, dass meine Großmutter immer zum Brunnen gehen musste, um Wasser zu holen. Erst etwa 1970 wurde Kaltwasser ins Haus eingeleitet. Der Wasserhahn war neben der Abwasch angebracht, die aus zwei Emaillebecken in einer Ladenkommode bestanden hat. Links wurde abgewaschen, rechts gespült. Das Wasser musste nach getaner Arbeit ausgeleert werden, ich behaupte, ich habe es immer bei der Haustür hinausgeschüttet.

Mein Großvater war im Zweiten Weltkrieg Blockwart im Personalhaus der Lapp Finze, noch bevor meine Großeltern und damit auch meine Mutter und ihre Geschwister in die Arbeitersiedlung in ein Einfamilienhaus gezogen sind. Dort, im Personalhaus, waren die Wohnungen klein, aber es gab für jede Partei einen Garten für die Selbstversorgung. Im Haus dann war ein Stall improvisiert, in dem ein Schwein und ein paar Hasen die Versorgung der Familie sicherstellten. Mit dem Hühnerhof draußen und dem Garten, den Kirsch- und Äpfelbäumen und der Bienenhütte konnte man recht gut leben. Das Schwein war illegal, vermutlich auch die Hasen.

Da in der Lapp Finze Kriegsgefangene sowie ukrainische Zwangsarbeiter und -arbeiterinnen beschäftigt waren, hat mein Großvater, der Blockwart, diese immer wieder zu sich nach Hause zum Essen eingeladen, was auch höchst illegal war.

Mit Ende des Krieges wurde 'Mein Kampf' ins Klo geworfen und damit war ein Kapitel der Geschichte erledigt. Meine Großmutter wurde bis zu ihrem Tod nicht müde zu betonen: 'Wir waren immer Sozialisten!' Zwischendurch eben Nationalsozialisten."

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