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Leo Lukas – Reisesatiren:

 

Von den Gefahren allzu billiger Reise (introducing Edeltraud)

Die Annonce war gut plaziert - zwischen dem original keltischen Kaffeesud-Horoskop und einem Tatsachenbericht über die Entführung Prinzessin Dianas durch klingonische Freischärler - und versprach in vertrauenserweckend versalen Lettern:

REISE (CHINA, KOREA, KUALA LUMPUR) AB 399.- SCHILLING!

Edeltraud stutzte.

(Falls auch Sie, meine Lieben, gerade stutzen: Ja, Edeltraud ist neu hier, wird uns aber ab jetzt öfter begegnen. In seiner kaum begrenzten und nahezu nicht ergründlichen Weisheit hat der Chefredakteur mich nämlich anläßlich der feierlichen Überreichung des letzten Gehaltsschecks - es handelte sich um´s Honorar für die Ausgaben von September und Oktober des Vorjahres - ermahnt, ich möge nicht immer nur über mich selber schreiben, sondern ab sofort, wie er sich diamanthart geschliffen ausdrückte, "ein paar lustige Figuren einführen, die was man dann schon kennt, wenn sie wieder vorkommen mit der Zeit, das mögen die Leute, verstehst?" - Stutzend ging ich im Geiste die aktuellen Arbeiten meiner großen kolumnistischen Vorbilder Adabei, Ro Raftl und Gerd Leitgeb durch, und siehe: Tatsächlich waren es immer dieselben Namen, die bei den hochverehrten - weil besser und prompter bezahlten - Kollegen für Heiterkeit sorgten! Ergo erschuf ich Edeltraud. Viel weiß ich noch nicht über sie, aber ´s wird schon werden.)

Nun ist Edeltraud bekanntermaßen eine fanatische Sparmeisterin. Niemand grüßt Prospektverteiler so voll freudiger Erwartung wie sie; niemand kennt die aktuellen Sonderangebote der diversen Diskonter so bis auf die zweite Dezimalstelle genau wie Edeltraud. Einmal rief sie mich mit vor Aufregung bebender Stimme an, weil ein Autozubehörhändler in meiner Nähe absolut unschlagbar günstige Winterreifen inserierte, und erst durch langes ungeduldiges Zureden konnte ich sie davon überzeugen, daß weder sie noch ich ein Auto besitzen. Wenn sie in einer fremden Stadt ist, sucht sie in nahezu religiösem Eifer sofort sämtliche SEWA-Läden auf; und wie akribisch sie die BILLA-Regale nach abgelaufenen Lebensmitteln durchkämmt, werden Sie sich inzwischen wohl vorstellen können.

Nun, meine Lieben, wie also wird diese unsere Edeltraud reagieren, wenn ihr folgendes wie ein Laserskalpell ins Auge sticht:

REISE (CHINA, KOREA, KUALA LUMPUR) AB 399.- SCHILLING!

Na? Richtig. Kurz fertigstutzen, und dann nix wie hin.

Erlauben Sie mir, während Edeltraud unterwegs ist (auf dem Fahrrad, obwohl es Schusterbuben samt Gesellen, Meistern und der ganzen DELKA-Kette regnet; doch ist gerade Monatsende, und Edeltraud würde nie eine Monatskarte lösen, wenn die Möglichkeit besteht, daß sie ein oder zwei Wochen davon in China, Korea oder Kuala Lumpur verbringt; Einzelfahrscheine kommen natürlich sowieso nicht in Frage), eine Feststellung in eigener Sache: Die Pointe, auf die diese Geschichte zutaumelt, wird an ziemlich vielen Haaren herbeigezogen sein und auch bei abgehärteten Leserinnen und Lesern zumindest säuerlich zusammengekniffene Gesichter, spontanes Einziehen der Luft durch die Zähne und im Magen ein Gefühl auslösen, wie wenn der Expreßlift endlich ganz oben angekommen ist. Ich will an diesem noch dazu reichlich konstruierten Kalauer nicht kindesweglegerisch die Autorenschaft leugnen, doch gebe ich als mildernden Umstand zu bedenken, daß Edeltraud andere als billigste Witze niemals zuließe. Danke.

Sie kommt also zur in der Annonce angegebenen Adresse, sichert ihr Fahrrad mit sieben Ketten und einer Selbstschußanlage (einmaliges Sonderangebot vom Mexikoplatz), wringt sich und ihre Kleidung aus und stürzt in den Laden.

Allwo der Verkäufer grinsend auf Regale voller riesiger, mit Körnern gefüllter Jutesäcke verweist: Reis aus China, Reis aus Korea, Reis aus Kuala Lumpur, je Sack weniger als vierhundert Schilling ...

(Halt! Nein! Auuuu! Meine Lieben, ich habe Sie gewarnt, oder etwa nicht? Und warum gleich das ganze Heft ze-reis-sen, Sie haben doch das meiste noch gar nicht ... Ich meine, "Reise" als Mehrzahl von "Reis" ist vielleicht nicht gar so gebräuchlich, aber spätestens nach der Rechtschreibreform ... Gnade ... Gnade ... Gnaaa...)

(© 1997 bei Leo Lukas; erschienen erstmals im Österreichischen REISE-Magazin)

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