kunstraum.gleisdorf: Neue Räume


Zeichen an der Wand
(Das Bespielen von Oberflächen)
Von Martin Krusche

Vortrag für "beyond housing" 02
perception.room.communication.drafts
23. Mai 2002, Graz

Pilot: "Tower, da brennt ein Runway-Light."
Lotse: "Ich hoffe, da brennen mehrere."
Pilot: "Sorry, ich meine, es qualmt."
(Wanderlegende aus dem Internet)

Verständigung ist ein anspruchsvolles Geschäft. Konsens-Checks gehören dabei keinesfalls zum prinzipiellen Standard. Diese Erfahrung kann man im Alltag jederzeit machen. Unsere Kommunikation ist meist in Hierarchien geordnet. Aktuelle Fernsehwerbung betont genau diesen Aspekt: wie wichtig ein Partner sei, der einem zuhören könne. Da gibt es einen Spot, in dem eine Steckdose 20 Zentimeter unter der Zimmerdecke das Problem illustriert. In einem anderen Spot wird ein Bidet in der Küche zum Ausdruck von Kommunikationshierarchien. Und Merkwürdigkeiten in der Planung.

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Wir schaffen Systeme, in denen Symbole nach bestimmten Regeln geordnet sind: Codes. Die Räume menschlicher Gemeinschaft sind mit solchen Codes beschrieben. Durch die Anwendung der Codes sollen Menschen mit bestimmten Inhalten versorgt, eigentlich: programmiert werden. So gesehen ist Entwurfsarbeit ein Schritt, um Menschen zu beeinflussen. Ergebnisse dieser Arbeit zu publizieren ist ein politischer Akt.

Beeinflussung hat für uns meist negative Konnotationen. Das ignoriert, wie sehr menschliche Beziehungen grundsätzlich davon handeln, daß man wechselseitigen Einfluß wünscht, zuläßt. In einer Kultur, die Selbstbestimmung als hohen Wert ansetzt und Fremdbestimmung gering schätzt, kommt es da leicht zu Unschärfen. Auch hier bleibt interessant, ob Einflüsse hierarchisch ablaufen oder "kybernetisch" ... also ob sie hierarchiefrei in jede Richtung verlaufen dürfen.

Die Bewertung von Einfluß und Beeinflussung kopple ich daher gerne an die Frage nach den Intentionen. Den Intentionen, die an den Quellen und Adressen solcher Vorgänge festgemacht sind. Mir gefällt die Vorstellung, daß sich jene, die Einfluß ausüben, und jene, die Einfluß akzeptieren, über ihre diesbezüglichen Intentionen verständigen. Als politische Vorstellung sicher ein Konzept von mäßiger Popularität.

Entwurfsarbeit, das Codieren, um auf jemanden Einfluß zu nehmen, sollte demnach ein Teil des Vorhabens sein, in dem das Offenlegen und Erörtern von Intentionen ein unverzichtbarer anderer Teil ist. Das halte ich für eine sinnvolle Grundsituation des Politischen in unserer Kultur. Gefaßt in die Idee des "politischen Raumes", in dem ein freier Austausch von Ideen und Dingen seinen gesicherten Ort hat. Das ist eine Vorstellung vom Markt, vom Marktplatz. Zugegeben: ein antiquiertes Bild. Die Idee von einem öffentlichen Ort, von Teilöffentlichkeit, kann damit aber immer noch brauchbar illustriert werden.

 

Von Texten zu Texturen
Ich verstehe Entwurfsarbeit als Auftakt zur Programmierung von Menschen. Ergänzt um die Verständigung über die Intentionen. Die Prüfung von Konsenslagen. Idealtypisch: ergänzt um Erfahrungen und Sachkenntnisse, durch die jemand in die Lage kommt, Problemlösungen vorzulegen. Vorgänge, die in Wechselwirkung zwischen Privates und Öffentliches gesetzt sind. Genau da scheint mir auch Ihr Tätigkeitsbereich zu liegen. An diesen Schnittstellen zwischen Privatem und Öffentlichem.

Architektur codiert analoge Räume. Bisher. Aber keinswegs ausschließlich. Ich bin kaum überrascht, daß ich seit Jahren Leute aus der Architektur in Bereichen der Netzkultur antreffe. Dabei ist virtuelle Architektur bloß ein Teilthema. Innerhalb der Netzkultur-Szene finde ich sie vor allem beim Gestalten und Ausstatten von Kommunikationsräumen und Teleworking-Stationen. Das führt immer wieder in die analogen Räume zurück. Vorerst noch unsere bevorzugten Aufenthaltsorte. Sprachregelungen wie Sitearchitektur, Datenbankarchitektur etc. verweisen auch auf diese Zusammenhänge. Es ist naheliegend, daß sich Leute aus der Architektur mit dem Design von Schnittstellen zu den virtuellen Räumen befassen.

Unter anderem: von Texten zu Texturen. Von der Formulierung der Welt in Sätzen und Zeilen, also Linien, hin zur Gestaltung von Oberflächen. Zur Programmierung von Menschen über Screens und Surfaces. Oberfläche setzt ein Darunter oder Dahinter voraus: Raum. Die Oberfläche, auch: die Wand. Der Bildschirm als Fenster, gleichermaßen Oberfläche und Ausblick. Die Räume, Orte unserer Anwesenheit, haben sich radikal verändert. Die Grenzziehungen zwischen Öffentlichem und Privatem erweisen sich als Kristallisationsbereiche des Politischen. Sie sind Architektur, Medienanwendung, Kommunikation, Bauarbeit auf sehr unterschiedliche Arten.

 

Akte des Erzählens
Das Entwerfen und Ausstatten solcher Räume kann auch wie ein Akt des Erzählens gedeutet werden. Wer darf erzählen? Wer hört zu? Sind die Rollen austauschbar? Sind neue Rollenentwürfe zu erwarten? Oder zu erwünschen? Wie sehr verändert sich unsere Welt durch die neuen Kommunikationstechnologien?

[Textauszug! Volltext hier als RTF-File downloadbar!]

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