kunstraum.gleisdorf: Neue Räume


Bürger, Wehr und Rausch
Von Martin Krusche

Menschen nehmen Rauschmittel. Menschen mißbrauchen Rauschmittel. Eines der Grundmotive unserer Kultur. Wo sich das Elend des Mißbrauchs mit den hohen Renditen illegaler Geschäfte trifft, dort sind die Quellen der Brennpunkte des Leidens. Das geschieht zum Teil auf Straßen. Beispielsweise auf den Straßen von Graz. Um Leiden zu mildern, Kriminalität einzudämmen und Prävention sachkundig in Wirkung zu bringen, sind fachlich versierte Kräfte gefragt. Fachkräfte aus den Bereichen der Psychologie, Medizin, der Exekutive, aus sozialen Diensten etc.

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Auf erstaunliche Art hat sich nun ein steirisches Pfadfinder-Derivat konstituiert. Aufgeregte Buben und Mädchen, die ins Erwachsenenalter gerutscht sind, und in einer Bürgerwehr die adäquate Antwort auf die erwähnten Probleme sehen. Mit der unaufhaltsamen Wut Gutes zu tun. Gewissermaßen gnadenlos gute Leute in blauen Blusen, mit blauen Käppchen ausstaffiert, deren Kompetenz sich folgendermaßen erschöpft: Frage ORF: "Glauben Sie nicht, dass sich das Drogenproblem dann eben auf andere Plätze verlagert?" Antwort Lozinsek: "Das wissen wir. Aber dort, wo wir stehen, wird nicht gedealt werden!" Treffender könnte diese Bürgerwehr ihren Hang zur bloßen Kosmetik kaum ausposaunen.
Das Tragen von Uniformen zu den geröteten Gesichtern muß hier – auch ohne konkrete Taten – als ein Schritt gewertet werden, der symbolisch in Frage stellt, daß wir "legitime Gewalt" dem Staat überantwortet haben und nicht in privaten Händen sehen wollen. Das ist demokratischer Grundkonsens, der hier kritisiert wird.

Bürgerwehr und Netzkunzt-Combo
Warum befaßt sich nun eine Netzkunzt-Truppe mit dieser Realklamotte? Warum interessiert uns dieses Phänomen auf steirischen Straßen? Warum beschäftigt uns deren Patronanz durch den FP-Kultursprecher und Bundesheer-Obersten Helge Endres, von dem der dringende Antrag an den Grazer Stadtrat stammt? Warum bewegt uns, daß dieser Endres Mitglied der "Kameradschaft IV" ist, einer Vereinigung übriggebliebener SS-Männer und deren Begleitung? Geschichte, Politik, Öffentlichkeit, Kunst, Neue Medien ... wie hängt das hier zusammen?
Lassen Sie sich nicht zur Annahme hinreißen, hier hätten Sie es mit etwas wie "Künstlerprotesten" zu tun. Hier wird von Menschen mit verschiedenen Optionen "Öffentlichkeit bespielt" und Anwesenheit im öffentlichen Raum hergestellt; also "das Politische" praktiziert. Hier wird Medienpraxis angewandt. In neuen Raumverhältnissen, mit denen sich die Besatzungen der meisten herkömmlichen Agenturen gesellschaftlichen Lebens noch nicht zufriedenstellend befaßt haben.
Wir haben deshalb schon einiges an Reibung erfahren. Sei es mit der dominanten ÖVP in der Steiermark, sei es mit der Company, die Graz im Jahre 2003 zur "europäischen Kulturhauptstadt" stilisieren möchte. Überall stoßen wir auf antiquierte Türhüter, denen noch nicht zu dämmern scheint, welche Optionen die neuen Kommunikationstechnologien für eine Gesellschaft bergen. Sie werden an uns auch kein gemeinsames "Programm" feststellen können. Selbst dieses "Wir" flackert. Aber dazu später.

Hoheiten, Öffentlichkeit und Privatheit
Kulturelles Geschehen verdichtet sich immer wieder um zwei Ansprüche. Den Anspruch auf territoriale Hoheit und den auf Definitionshoheit. Anders ausgedrückt: in menschlichen Gemeinschaften entsteht laufend Klärungsbedarf, wer sich wo aufhalten darf und wer feststellen darf, was etwas ist. Dies geschieht rund um das Generieren von Bedeutung. Medien haben dabei wichtige Funktionen. Bedeutungsproduktion scheint eines der zentralen Geschäfte menschlicher Kultur und Politik zu sein. [...]

[Textauszug! Volltext hier als RTF-File downloadbar!]
"netz.tritt" (die netzkunzt-combo) | "Steiermark: Sehnsucht und Rausch"

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