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PILGERN&SURFEN

Surf>Sample>Manipulate gründete auf folgender Einsicht: "Auf dem Internet wird mit Hilfe der Suchmaschinen gesurft, einzelne Textfragmente werden heruntergeladen, also gesampelt und zu einem Textganzen zusammengeschwindelt, also manipuliert." Mit dem Domain-Namen für dieses Projekt, worldbrain.net, erklärten Adi Blum und Beat Mazenauer für "zusammenstoss Luzern" manifestartig, worum es Internetaktivisten geht: ein neues Wissenssystem abseits und parallel zum bestehenden zu schaffen, neue Formen der Autorenschaft auszuprobieren.

Vom 12. bis 14.April luden nun das L&arc (Litterature et atelier de reflexion contemporaine) und zusammenstoss Luzern zu einem Salongespräch in Romainmotier: Pilgern und Surfen 7. Geladen sind Menschen, die sich für das Spannungsfeld zwischen alten und neuen Medien, Gutenberg- und Turing-Galaxis aus unterschiedlichen Perspektiven interessieren. Es geht um einen Austausch von Erfahrungen über Themenkreise im Spannungsfeld von Analogie und Digitalität, um Experimente ausserhalb und im globalen Netz, um Internet und Kunstkommerz, um digitale Lebensformen. "Bleib in Bewegung, geh keine Bindungen ein und bring keine Opfer! Heute die Zukunft planen heisst, mobil bleiben und sich alle Möglichkeiten offen halten." Der Pilger wie der Surfer sind Figuren dieser Mobilität, in all ihrer Gegensätzlichkeit: Während der Surfer wendig, anpassungsfähig und spielerisch über unbestimmte Oberflächen hinweg gleitet, "tritt der Pilger die harte Erde Schritt für Schritt", ist unterwegs auf ein Ziel hin, um anzukommen.

"Die Gedanken sind frei! Und die Ideen sind es auch! Doch wem gehören die freien Gedanken und die freien Ideen?" lautete die Devise für das Salongespräch in Romainmotier und forderte zu einer Reflexion auf, die Surf>Sample>Manipulate begleitet. Mit dem "Urheberrecht" wird die Gedankenarbeit geschützt, nicht erst seit dem Aufkommen des Internets sowie der digitalen Kopiertechniken sind Gedanken indes auch immer plagiiert, kopiert und bestritten worden. Mit dem Streit um die "Musikpiraterie" (Stichwort Napster) hat die Frage nach Copyright oder Copyleft, open source oder Werkgeheimnis öffentliche Aufmerksamkeit und Brisanz gewonnen.

Was soll urheberrechtlich geschützt werden? Kunstwerke, Codes? Zu wessen Nutzen und wie lange? Ja dürfen Ideen überhaupt geschützt werden? Eine alte Diskussion über Geheimnis, Originalität und Monopol findet ihre Fortsetzung. Vermag der Geist des Eigentums die Gedankenfreiheit zu schützen?

Drei Vorträge gaben Anlass zur Diskussion.

Hansruedi Fricker ist Konzeptkünstler, Aktionskünstler, Kommunikationskünstler, Politkünstler. Er lebt in Trogen, einem Dorf in der Schweiz, seine Kunst stützt sich dezitiert auf Verbindungen in alle Welt. Frickers Mailart-Parole "I am a networker (sometimes)", die er in den 80er Jahren postalisch verbreitete, nahm vieles vorweg, was heute im Kontext der "Netzkunst" diskutiert wird.

"Mailart" nennt sich eine künstlerische Bewegung seit den sechziger Jahren, ein Netzwerk von Antikünstlern, die den Werkbegriff überwinden, sich in einem freien Kommunikationssystem dem Austausch von Energie und Zeit hingeben, Botschaften schenken und ein soziales Band stiften wollten. Nicht das Produkt, sondern der Prozess ist ihnen wichtig. Wie viele Fluxus-Leute verweigern sie das System Kunst, setzen das Copyright ausser Kraft und gründen eine Art Schenkkultur.

Begonnen hatte alles mit Ray Johnson, der 1962 eine Zeichnung verschickte, mit der Aufforderung, etwas hinzuzufügen und sie an Dritte weiterzuschicken. Das Spiel der gestohlenen, manipulierten und verschenkten Images führte bald zu einem Punkt, wo niemand mehr wusste, ob er ein Original oder eine Kopie in der Hand hielt. Mit jedem Versenden gab der Mitspieler das Copyright an den nächsten Adressaten weiter, den Collagen lagen Adressenlisten mit Mitspielern aus aller Welt bei. Die Vernetzung der Bestohlenen, ihre Korrespondenz ist also der eigentliche Kunstakt.

Fricker stiess in den achtziger Jahren zur Bewegung und erwarb sich den Ruf des aggressivsten Mailart-Künstlers, als ein militanter Copyright-Verletzer, der er ist, für den Kreativität und Regelverstoss einander bedingen. Seine Ausführungen zur Geschichte der Mailart-Bewegung machten anschaubar, wie Innovation auf dem Einschluss des Ausgeschlossenen gründet. Die Piraterie steht am Anfang einer jungen Kunst. Am Ende, so sie erfolgreich war, kommt sie im Museum an. Der Regelbruch bringt neue Formen hervor und schafft ein neues Bewusstsein, im Fall der Mailart entstand ein System des kulturellen Austausches, der Überwindung von (transatlantischen) Räumen, ein globales Weltverständnis.

Welcher Regelbruch kann indes in einer Welt ohne Regeln geübt werden? Der Interessensausgleich mit der gescholtenen Welt der Regeln, die wiederum Interesse daran zeigt, das Widerständige zu integrieren. Hansruedi Fricker etwa verkaufte seine Mailart-Sammlung an das Kommunikationsmuseum Bern. Sie besteht aus Collagen, Briefmarken, Karten, die er von tausenden Anderen erhielt. Frickers Museumkunst ist die Kunst der Anderen, während andere unter ihren Namen Frickers Collagen in Ausstellungen, sogenannten Mailart-Shows, zeigen.

Sowohl ihrer Idee, eine Geschenkkultur zu sein, als auch ihrer Form nach, mit Kettenbriefen eine Kunst des Transports zu schaffen, ist die Mailart ein Vorläufer der Netzkunst. Sie schafft einen Mehrwert durch Urheberrechtsverletzung. Man wird reich, weil man gibt. Für ein Programm, das einer an die anderen verschenkt, bekommt er von den anderen viele Programme zurück.

Schliesslich deutet sich in der Mailart auch ein Problem an, das die globalen Kommunikationstechnologien dringend machen. Für Mailartkünstler aus Europa und Nordamerika bedeutet Vernetzung ein Unterwandern des etablierten Kunstsystems. Sie korrespondierten dabei mit Menschen aus Polen, der Sowjetunion, aus Chile und Westafrika, die Solidarität erwarteten, Hilfe in ihrer bedrängten Lage, Schutz vor Unterdrückung. Oft waren es traditionelle Künstler, vermischten sich die Auffassungen von Fortgeschrittenheit.

Fricker reagierte mit einer ironischen Version von Mailart: "Tourismus", wie es im Katalog "Mailart. Netzwerk der Künstler" heisst, "ein Ism, der jeden auf die Reise schickt, sodass sich schlussendlich auch wieder niemand trifft. Statt Briefe verschicken sich selbst auf Reisen schicken. Dies zwar oft auch nur zum Schein, um gewisse normative Systeme zu entlarven, denen wir ungewollt unterliegen."

Recht auf geistiges Eigentum und Recht auf Information

Martin Philipp Jann ist promovierter Jurist, Urheberspezialist und Kommunikationsstratege, ist Geschäftsführer des Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verbands SBVV, Zürich. Sein Vortrag widmete sich den gegenwärtigen Veränderungen auf dem Buchmarkt und dem politischen Bestreben, das Urheberrecht global zu standardisieren. Beides hat die technologischen Entwicklungen und die Amerikanisierung der europäischen Märkte zum Hintergrund. Beides sei, meint Jann, besorgniserregend und vor allem unaufhaltbar. Und: Unterschiede zwischen kontinentaleuropäischem und angloamerikanischer Rechtsauffassung seien allemal feststellbar. Während sich das europäische Recht auf umschriebene Grundrechte stütze, baue amerikanisches Recht vor allem auf der Beurteilung von Präzedenzfällen.

Grenzüberschreitende Einverleibungen von Qualitäts-Verlagen in grosse Contentfirmen führen zur Verdrängung vor allem des mittelgrossen Buchhandels und tendenziell zur Entwertung des Buchs zu einem Nebenprodukt, dessen Wertschöpfung in seinen Verwertungsrechten besteht: Film, Musik, Merchandising. Das Buch ist für Contentfirmen eines von mehreren Trägermedien, mit denen der Konzern Inhalte und Informationen verkauft. Janns Hoffnung: mit der Ernüchterung der New Economy werde das Buch wieder aufgewertet. Der Markt sei durch Überproduktion zwar gesättigt (im deutschsprachigen Raum 85 000 Titel jährlich), die Stückabsatzzahlen würden aber leicht wachsen, vor allem der Verkauf von Büchern im Medienverbund (Hörbücher, Bücher mit Multimediaprodukten).

Die Diskussion um das Urheberrecht wurde mit dem Internet erneut virulent. Der Gedanke, die Kreativität des Urhebers zu schützen, gerät dabei in ein rechtliches Dilemma. Der Rechtsstreit um die Firma Napster förderte es zu Tage: Zwei Grundrechte kollidierten angesichts der "Umgehungstechnologien": Das Recht auf freie Information und Meinungsäusserung und das Recht auf geistiges Eigentum. Napster, ein File-Share, hatte es ermöglicht, Musikdateien, die auf der Festplatte eines Computers bei einem Benutzer gespeichert sind, an andere Benutzer zu übertragen. Das Verbot von Napster, erwirkt durch Klagen der Musikindustrie, hat weitreichende Folgen. Die Entwürfe für ein globales Urheberrecht verbieten sämtliche Umgehung von technischen Schutzmassnahmen, stellen jede digitale Speicherung unter urheberrechtliche Bestimmungen und homogenisieren die Kulturen des Südens, die - wie in Afrika - den Begriff des geistigen Eigentums nicht kennen.

Für gefährlich erachtet Jann das Abtreten des Copyright-Problems an den privaten Bereich und somit die faktische Einschränkung des Rechts auf Eigengebrauch ("fair use"). Die Ent-Staatlichung des Urheberechts führe vom Informations-Teilen zur Informations-Kontrolle. Vertrauens-Erklärungen ("Trusted Systems") von Kunden seien problematisch. Durch die Deligierung an private Schutzvorrichtungen gebe es keine Unterscheidung mehr, was öffentlich zu schützen sei oder nicht. Somit werde der Gedanke des Interessensausgleichs unterlaufen, würden Rechte ausgedünnt. Janns Hoffnung: irgendwann könne die Frage der Diskriminierung gestellt werden, wenn sich grosse Medienkonzerne tatsächlich ein Monopol auf Information schaffen sollten.

Peter Mühlbauer, Janns Nachredner, zeichnete ein düstereres Bild der nahen Zukunft: die privaten Schutzvorrichtungen, wie sie Microsoft schon einrichtet, und das Verbot von Umgehungstechnologie würden nicht nur den Einbruch verbieten, sondern auch den Handel mit Werkzeug, das für den Einbruch verwendet werden könnte, ja darüber hinaus noch das Verbreiten von physikalischen Wissen, das während eines Einbruchs zum Tragen kommt.

Die Mitteln zur Installierung eines Informations-Feudalismus sind der technische Schutz und die Lizensierung, der Verkauf des Inhalts auf Zeit. Peter Mühlbauer arbeitet an einer Dissertation über amerikanische Kulturgeschichte, ist "Plattenaufleger", an einem subkulturellen Label beteiligt und schreibt regelmässig Artikel im Internet-Magazin "Telepolis". Seinen Ausführungen nach hat jene Zukunft längst begonnen, ist die Vorstellung, das Internet sei ein freies Medium, spätestens in fünf Jahren unwiderrufbar Vergangenheit.

Mühlbauer wirft dem Urheberrecht vor, durch seine Unangemessenheit und Undifferenziertheit diese Entwicklung wesentlich mitzuverschulden. Das Urheberrecht sei kein Naturrecht, seine lange Laufdauer (70 Jahre nach dem Tod des Urhebers) hinderlich für kreative Prozesse. Kulturgüter entwickelten sich am besten in einer Gabenwirtschaft, die Prestige vergütet. Erst die Spektakel-Ökonomie der Medienindustrie habe die Copyright-Diskussion so hysterisch werden lassen. Es werde indes nicht geistiges Eigentum, sondern das Medienkonzernrecht auf Profit geschützt. Die Kunst selbst lebe vom Plagiieren, Kunst habe sich immer durch räuberische Akte genährt. Dem gegenüber würden heute Medienkonzerne, die den freien Zugang zu Information unterbinden, wie die Räuberbarone des 19.Jahrhunderts willkürlich über den Preis und die Verteilung der Inhalte bestimmen, längst nicht mehr nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage.

"Digital rights managment" lautet die Devise der Industrie, um der Piraterie, dem freien Sampeln und Spielen und Hacken im Internet, ein Ende zu setzen. Zeitlich begrenzte Lizenzen sind der Wunsch, den die Industrie an die Politik heranträgt und nach mehr Staat ruft, um am Ende, so Mühlbauer, zur Privatisierung der Interessensabwägung von Rechten zu schreiten. Der Staat soll Vollzugsorgan industrieller Interessen sein. Die Befreiung der Information soll unter Strafe gestellt werden, geschützt wird der Rechtsinhaber, und nicht mehr der Urheber eines Werks. Mit den Lizenzen werde das Internet tatsächlich zum rechtsfreien Raum, aber in anderem Sinn: die sittenwidrige Allmacht der Rechtsinhaber könne nicht mehr strafbar gemacht werden. Totale Kontrolle über jede Information.

Will heissen, in naher Zukunft sei der Medienuser Teil eines integrierten, standardisierten Monopols, müsse tun, was Microsoft von ihm verlangt, dürfe nur lesen und hören und sehen sooft, wie er dafür bezahlt hat, sitze in seinem Wohnzimmer und verfüge über nichts mehr, was er benutzt, wisse sich anstatt dessen in einer maschinellen Verknüpfung seiner Persönlichkeitsprofile, die zur Orientierung des Konsums und seiner Lenkung erstellt werden.

Das Schreiben am Netz werde gezügelt, gezähmt, normiert. Konzerne seien im Besitz von sämtlichen Ideen, Figuren und deren Ausformungen. Intertextuelle Verweise seien wie das Zitieren und Plagiieren verboten, erlaubt sei nur noch in Schreibschulen standardisierte Form mit ausgewechselten Namen. Das Schreiben am Netz, notiert der Chronist, ist auf der Erde gelandet. Die Frage bleibt: wie in einer standardisierten Welt weiterschreiben?

"Aussicht trübe, Hoffnung beschränkt."

Der Silberstreifen einer Alternative: die open-source-Bewegung, die Copyleft durch Copyrigth schützen liess. Das bekannteste Beispiel: Linux. Der Vorgang: die Lizenz legt fest, dass jeder Benutzer die Freiheit besitzt, das Programm zu benutzen, zu verändern, Kopien herzustellen und Kopien der veränderten Version zu verbreiten, wenn er sich nur dazu verpflichtet, das, was er selbst hinzufügt, selbst allen anderen frei zur Verfügung zu stellen.

Was sich im Bereich der Software-Entwicklung auch wirtschaftlich erfolgreich zeigt, scheint als Lösung für das Verbreiten von Literatur zweifelhaft. Lizensierung von Literatur? Freier Austausch? Kaum vorstellbare Modelle.

Literatur wird traditionellerweise von Verlagen veröffentlicht, die heute mehr und mehr Teil von grossen anonymen Medienverbünden werden. Was Autoren einbringen an Stoffen und Formen, ist durch das Urheberrecht geschützt, das Recht auf geistiges Eigentum, das Autoren über hundert Jahre im zwanzigsten Jahrhundert erstritten und erkämpft haben. Dieses Recht wiederum wird von Interessenverbänden der Autoren, sogenannten Verwertungsgesellschaften mit staatlicher Monopolstellung, überwacht und exekutiert. Mit den neuen Technologien geraten solche Gewaltentrennungen oft durcheinander, da im Internet ein Autor auch sein Verleger ist, sich also von seiner Verwertungsgesellschaft gegen sich selbst schützen lässt

Wie zweispältig die Situation ist, unentscheidbar, ob die Wächter über das Urheberrecht für und gleichzeitig gegen Kreativität arbeiten, zeigt ein Beispiel: Ein Internet-Salon wie "house" wäre in der Schweiz oder in Frankreich nicht denkbar (auch wenn er nur existiert aus Experimentierfreudigkeit). In der Schweiz gibt es keine freie Seiten, da jeder Betreiber einer Internetseite Urheberrechte an die literarische Verwertungsgesellschaft Proliteris abzuliefern hat. Die Vorstellung, im Internet könne noch abseits der Ökonomie, im Intimen, Widerständigen, Fragmenthaften geschrieben werden, ist hierzulande schon erledigt. Ohne dass heute jemand weiss, ob Literatur im Internet überhaupt auf Interesse stösst, wird schon reglementiert und ein künstlicher Geldfluss eingerichtet. Der Autor bezahlt seine Website mit dem Geld, dass er dafür von der Verwertungsgesellschaft einnimmt. Doch eigentlich schützt man die Erfolgreichen auf Kosten des Schöpferischen, ist zu befürchten. Der Horizont: auf der einen Seite die gefrässigen Konzerne, die alles beherrschen wollen, und auf der anderen Seite der gute Wille von Bürokraten, die aber mit ihrem unbeweglichen Denken und Handeln das Netz ebenso zu verschliessen beginnen.

Die Diskussion in Romainmotier bestätigte das Motto: ums Surfen gehe es heute zweifellos, aber das Pilgern dürfe nicht vergessen, das Kind nicht mit dem Bad ausgeschütttet werden, wie es Hans Läuble formulierte, der Vertreter der Schweizer Theatermacher. Urheberrechte der Software mit denen der Künstler zu vermischen, sei falsch. Das Urheberrecht eine gute Errungenschaft, Künstler sollten für sich, für ihre Witwen und Kinder soziale Sicherheit garantiert bekommen. Das Urheberrecht biete eine gewisse soziale Sicherheit. Dass heute bürokratische Auswüchse in Bezug auf das Internet auszumerzen seien, halte er indes auch für unzweifelhaft

Eine stärkere Unterscheidung von Amerika und Europa forderte Roberta Weiss, Interessensvertreterin der Bildenden Künstler in der Schweiz. Alarmismus sei nicht angebracht, zur Bekämpfung von Monopolen ein Zusammenarbeiten der Interessensverbände nötig. In Europa müssten sich digitale und analoge Künstler zusammentun, sich nicht wie in Amerika in Copyright- und Copyleftleute auseinanderdividieren lassen.

Von parallelel Entwicklungen berichtete die anschliessende Debatte. Während in Deutschland unlängst ein Paradigmenwechsel zugunsten der Urheber (Autoren) stattgefunden habe, lehne sich die neue EU-Richtlinie an das amerikanische Modell an, in dem nicht mehr zwischen Urheber und Rechtsinhaber (in der Regel der Medienkonzern) unterschieden wird. In den USA seien daher, wie Marcel Meier, Mitarbeiter von Migros-Kulturprozent einwarf, bloss noch die erfolgreichen Künstler geschützt, indem sie als Autoren eines Buchs auch als Co-Produzenten dessen Verfilmung auftreten, wie im Fall von "Harry Pottrer" geschehen. Der erfolgreiche Künstler wird zum Medienunternehmer.

Rechtlich ist diese Entwicklung im sogenannten Produzentenartikel festgehalten, den es nur in den USA und England, nicht aber in Kontinentaleuropa gibt. Der besagt, dass ein Werk im Auftrag eines Arbeitgebers produziert wird, und daher das Copyright beim Arbeitgeber (also Medienkonzern) liegt. In Europa herrscht "Vertragsfreiheit": im Vertrag wird partnerschaftlich erläutert, welche Recht ein Autor an seinen Verlag abtritt.

Die Situation ist zwiespältig, wie Martin Philipp Jann meinte: die Entwicklung in den USA habe nicht aus böser Absicht, sondern als Reaktion auf die neue Mediensituation stattgefunden. Wenn heute Sampling und Zitieren der kulturtechnische Standard seien, stelle sich die Frage, wie man für all diese Elemente Urheberrechte gültig machen könne. Die Konzerne versuchen sich gegen Raub und Piraterie zu schützen. Und weil man sehe, dass das rechtlich nur noch teilweise möglich, manuell nicht mehr zu managen sei, greife man auf den Code zu: schütze die Produkte durch zeitlich begrenzte Lizenzen, die via Produzentenartikel im Besitz des Konzerns seien.

Konzerne müssten indes rechtlich anders behandelt werden als Künstler und Autoren, widersprach Peter Mühlbauer.

Das sei nicht einfach. Vor dem Recht sind alle gleich.

Conny Voester, langjährige künstlerische Leiterin des Multimedia-Kunst-Festivals "Viper" in Basel, wollte in die Diskussion um Prozente, wie sie die Verwertungsgesellschaften führen, nicht eingreifen. Sie verstörte die Ökonomisierung der Kultur grundsätzlicher. Ein Bereich, die Kunst, werde heute wirtschaftlich durchgepflügt, der anderen Gesetzen gehorche. Die neuen Kommunikatonstechnologien beinhalteten beide Elemente: sie stellten einen neuen Markt dar und eine neue Kommunikation. Wenn sich Verwertungsgesellschaft einbildeten, in diesem Dschungel eine Prozentdiskussion führen zu können, sei das witzlos, weil ohnehin undurchführbar. Die Frage sei doch: wie werde zukünftig überhaupt noch Kunst ausserhalb des Marktes stattfinden können? Und andererseits: deuteten sich nicht in der Globalisierung ganz neue Konflikte an? Für Afrikaner sei das Urheberrecht ein Recht von einem anderen Stern. Ihre Kunst sei immer im kollektiven Besitz gewesen. Was bedeuten solche Kontinentalverschiebungen, wie verhalten wir uns dazu? Man müsste doch eine andere Möglichkeit denken, sich einmal vorstellen, dass "Eigentum" nicht alles ist, auch nicht "geistiges Eigentum".

Bei "Kunst aus zweiter Hand" sei aber der Produzent (Konzern) am Ende immer der Gewinner, so Marcel Meier.

Ein alternatives Modell, das diskutiert wurde, heisst "Urhebernachfolgerecht": das Erbrecht für geisteiges Eigentum wird danach unbegrenzt, dem materiellem Recht angeglichen. Auch Platons Werke würden danach noch heute im Besitz seiner Erben sein. Um einen Ausgleich zu schaffen, richtet die Öffentlichkeit einen Fond zur Förderung der Kreativität ein, aus dem wiederum ein Künstler-Grundgehalt und eine Künstlersozialversicherung finanziert werden könnten.

Ob dies nicht erst recht das Ende von Sampling und Zitieren sei?

Was sich sagen lässt, schlussfolgerte Beat Mazenauer, die Diskussion um Geographie und die um Ästethik gehören zusammen. Sampling ebene vieles ein, und zugleich kämen damit etwa die asiatischen Kopierkulturen ins Spiel. Vielleicht sei in Zukunft alles technisch reglementiert und man müsse seinen Fotoapparat nehmen, den Bildschirm abfotografieren und mit Klebeband sein Collagebüchlein binden. Auch schlecht, auch recht. Irgendwie unauflösbar.

Das wichtigste ist, das wir weiterhin senden können!

Die Sender müssen erhalten bleiben! Und: Internet comes Tourism.

Kein besseres Schlusswort hätte es geben können als diese Rufe von Hansruedi Fricker.

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Revision r1.1 - 18 Apr 2002 - 06:23 GMT - WalterGrond
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