neue räume: pilgern & surfen


Mixed Business
(Input #2)
Von Martin Krusche

Das Fundament von www.kultur.at, grundlegende Ressourcen, inhaltliche Basisarbeit, das gesamte technische Equipment, die Kontiuität, werden von einem Duo sichergestellt. Jürgen Kapeller und ich haben die Site im Jahr 2000 im Web eröffnet. Das erste große Projekt auf kultur.at wurde das [house], in dem ich mit dem Autor Walter Grond und dem Literaturwissenschafter Klaus Zeyringer verschiedene Themen der neuen Mediensituation ausgelotet hab.

Kapeller und ich sind nach wie vor harter Kern von kultur.at; quasi als Garant für das Bestehen. Um uns herum hat sich eine Netzkultur-Crew gebildet, die auf der Site ein starkes Gravitationsfeld generiert. Außerhalb dieses Feldes diffusiert die aktive Community stark. Was wir für eine Qualität halten. Fluktuation, Dezentralität, Redundanz ... was klassischen Einrichtungen oft Kummer bereitet, sind im Web akzeptable Gegebenheiten, mit denen man zu arbeiten hat.

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Unsere Aktivitäten sind auf die Übergangszonen zwischen analogem und virtuellem Raum gesetzt. Die Website ist vielen Aufgaben und Themen gewidmet. In einem offenen Modus, der mit einem Minimum an Zugangsbeschränkungen auskommt und den Aktiven allerhand freistellt.

Unsere bisherigen Netzkultur-Erfahrungen waren sehr anregend, um von hinfälligen Positionen im Kulturgeschehen zügig abzurücken. Wir haben ein eher antiquiertes Bild als immergrüne Leitikone vor der Nase: das Künstlergenie. Ausschließlich seiner Kunst geweiht. In nobler Distanz zu allen anderen Notwendigkeiten. Faktisch in umfassende Abhängigkeiten verstrickt. Eine verstaubte Klamotte, die ihr erstes Role-Model wohl im “freien Bürger” der antiken griechischen Polis hatte. Dem gebildeten Günstling einer Sklavengesellschaft.

Zweieinhalb Jahrtausende später hat freilich der hysterische Hype im Mediengeschäft unsere Gesellschaft in ihrer Demokratiequalität nicht schon a priori auf eine neue Ebene gestellt. Die Arbeit daran – in diesem Kontext: Medien und Demokratie – scheint gerade erst schleppend in Gang zu kommen. Als Impresario von www.kultur.at mache ich meine Diskussionsbeiträge dazu gerne am Beispiel des Kunstfeldes fest. Also: das Künstlergenie. Erhaben. Abgehoben. Dieser Typus ist vor dem Hintergrund einiger Jahrhunderte überlieferter Kulturgeschichte bloß eine Marginalie. Zugleich immer noch, verblüffender Weise, das dominierende Rollenangebot für Kunstschaffende in Österreich.

Da der heimische Regelbetrieb diese Inszenierung präferiert, aber nur sehr begrenzten Bedarf an einem realen Ensemble mit dieser “Genieausstattung” hat, entfaltet sich eine weitere Kuriosität. Der Großteil jener Menschen, die dieses Berufsfeld – Künstlerinnen und Künstler – beleben, erfahren eine zunehmende Marginalisierung. Sozial und ökonomisch. Eine merkwürdige Konsequenz struktureller Eigenheiten österreichischen Kulturgeschehens. Eine Konsequenz, der die primären Akteure offenbar kaum etwas entgegenzuhalten imstande sind. Ein Zustand, der über Definitionsmacht, Kanonbildung und solide Türhüterschaften bei den Medienzugängen aufrecht erhalten wird. In einer gewissen Kontinuität der Entwicklung seit Josef II., ab dem der Weg großer Nähe Kunstschaffender zur Obrigkeit ungebrochen scheint. Polemisch verkürzt könnte man über Österreich sagen: wenn schon eine Revolution dann aber von oben.

Dieses Kräftespiel hat ein ganz wesentliches Fundament in einer möglichst durchgängigen Kontrolle von Mediensituationen. Also in der Kontrolle von “Öffentlichkeitsproduktion”. In recht widerstandsloser Akzeptanz solcher Formen der Platzhalterschaft im öffentlichen Raum verspricht sich dieses “aristokratische Konzept” vom Geniekünstler als Sonderstatus umfassender Freistellung. Ein problematischer Vorzug, der von vielen erhofft, allerdings nur wenigen Nischenexstenzen eingeräumt wird. Daß Kandidatinnen und Kandidaten dafür zuerst eine Kanonisierung durchlaufen und gewisse Markttauglichkeit beweisen müssen, versteht sich von selbst. Und zwar überall dort, wo nennenswerte Geldsummen bewegt werden. Ob so eine Karriere wünschenswert ist, wird zumindest öffentlich nicht diskutiert.

Während wir Kunstschaffende uns meist noch weigern, kohärente Berufsbilder in die Debatte zu werfen, bekommen Profis aus der Wissenschaft schon die Fragen umgehängt, wie sie denn zur Annahme eines wachsenden “akademischen Kapitalismus” stünden. Und welche Rollen sie in dieser Entwicklung einzunehmen gedenken. (Dort hat man ja eine vergleichbare, wenngleich wohl ältere Ideengeschichte des Ideals der “freien Wissenschaft” und ihren realen Abhängigkeiten.) ...

[Textauszug! Volltext hier als RTF-File!]

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