korridor der langsamkeit

Lisanne

Monika Mokre:

Ich bin eine berufstätige Mutter. Infolge dessen schnell, effizient und perfekt organisiert. Alles wird genau geplant und klappt bestens, solange nichts dazwischen kommt. – Wenn etwas dazwischen kommt, ist es meist meine Tochter. Lisanne hat Zeit. Lisanne nimmt sich Zeit. Lisanne macht die Dinge fertig, die sie begonnen hat. Sie isst fertig, sie liest fertig, sie spielt fertig und sie unterhält sich fertig. Und dann zieht sie sich ordentlich und bedächtig an. „Mach schnell, wir kommen zu spät!“ „Lisanne, trödel nicht immer so!“ „Wirst du wohl heute noch fertig mit deinen Schuhen?“ – Ungefähr in dieser Reihenfolge kommentiere ich normalerweise zunehmend entnervt diesen Ablauf. Und mache mir dann Vorwürfe, dass ich ihr ihren Rhythmus nicht gönne. Die Vorwürfe könnte ich mir allerdings auch sparen, denn Lisanne lässt sich nicht aus dem Rhythmus bringen. Lisannes Langsamkeit ist nicht mehr als das äußere Zeichen einer (im wörtlichen Sinne) in sich ruhenden Persönlichkeit. Lisanne beobachtet durchaus liebevoll ihre ständig gehetzte Mutter und zieht neben ihr unbeirrbar ihre stetigen Spuren.

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P.S.: Ich schreibe diesen kurzen Text, während meine Tochter für eine Woche bei den Großeltern ist. Im unmittelbaren Kontakt ist meine Toleranz gegenüber unseren unterschiedlichen Tempi nämlich meist zu gering für liebevolle Betrachtungen dieser Art.

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