Sigrun Wolf lebt seit sieben Jahren in Neapel.
Weil sie so ist wie sie ist? Oder weil sie nur dort die werden konnte, die sie sein
möchte? Wie gerne sie lacht! Für den Gemüsehändler im Zentrum ist sie durch ihr
Aussehen einfach „die Russin“. Aber wenn sie spricht, mag sie als Venezianerin
durchgehen.
Was sie zu erzählen hat, vom schwarzen
Herzen der Neapolitaner, von den Liedern, der eigentümlichen Sprache, den Pinien, den
Dieben, den Gärten, vom Meer ... „Wir verkaufen deinen Ferrari. Wir werden einen guten Preis
bekommen.“ „Aber ich besitze ihn ja nicht wirklich.“ „Das macht
überhaupt nichts. In Neapel werden dauernd Dinge, die es gar nicht gibt, zu einem guten
Preis verkauft.“
Sie lacht, mit fliegenden Händen,
zieht einen kleinen Discman aus der Tasche und spielt mir „La musica dei vicoli“
vor. Die Musik der Gassen. Niemand von ihren Freunden aus dem Norden wäre freiwillig
weiter als bis Rom gefahren. Und ich denke an Stefania, die energisch sagt: „Italien
beginnt ja erst ab Rom.“
Sigrun erläutert mir die Lieder, die
wir hören. Einige sind so berühmt, daß sie im Süden jeder kennt. `O surdato
`nnammorato. Malafemmena. Männer! Wie sie lieben. Wie sie manchmal verachten, was sie
begehren. „Die besingen das, schaffen werden sie es nicht.“ sagt Sigrun. Und in
einem anderen Moment: „Die Mutter des Deppen ist immer schwanger.“
Sie wird nicht lange hier bleiben. Denn es ist hier nicht
... wie in Neapel. |