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ORF Steiermark 1. September 2000
"Old Danube House" von Walter Grond
Von Heinz Hartwig


Der Grazer Autor Walter Grond lebt mittlerweile in Aggsbach Dorf, in der Wachau, und hat seit seinem Weggang aus der Steiermark im Innsbrucker Haymon Verlag bereits das dritte Buch veröffentlicht. Hat er mit seinem Buch "Der Soldat und das Schöne" noch so etwas wie eine Abrechnung mit seiner Grazer Zeit versucht, so legt er jetzt einen Roman vor, der zwischen Moskau, Wien und Sarajewo spielt und alle Ingredienzien eines Zeitromans hat.
In "Old Danube House" erzählt Walter Grond die Geschichte zweier Generationen, die Geschichte der heutigen, jungen cyberspace generation und die der ehemaligen 68er Generation und darüber hinaus auch noch, wie diese beiden Generationen im sogenannten Osten und sogenannten Westen heute leben und überleben.
Die Jungen sind die totalen Technikfreaks (hier wie dort) und verlieren dadurch vielleicht den Anschluß an das wirkliche Leben (was immer das ist) und die Elterngeneration hängt teilweise alten Mythen, Alltagsmythen, auch selbstgebastelten Mythen nach und versucht über die Welt des Computers und des Internet eine neue mythische Welt zu schaffen, die eine Flucht aus den Mythen des Alltags ermöglicht. Einfacher ausgedrückt: je hässlicher die heutige Welt ist, desto cooler wollen ihr die Jungen begegnen und desto realitätsfremder, auch nostalgischer und verträumter, reagieren die Erwachsenen auf sie.
Der Quantenphysiker Johan Nichol ist so etwas wie ein Guru für seine Studenten. Er beginnt sich intensiver für die Welt seiner Studenten zu interessieren, als er im Internet die Nachricht vom Selbstmord eines bosnischen Physikers findet. Das ist der Auslöser für Nichols beginnende Existenzkrise. Nicht nur beruflich, auch privat fängt er an, sein Leben zu hinterfragen. Seine Moskauer Vergangenheit holt ihn ein, seine junge Frau bzw. seine jungen Studenten in Wien veranlassen ihn, nach Sarajevo zu fahren. Er will das Geheimnis des bosnischen Physikers ergründen, weil er sich dadurch Aufschluß über seine eigene Existenz erhofft. Der Sarajevo-Teil von Gronds Roman gehört zu den berührendsten dieses dicht und einfühlsam geschriebenen Romans. Die Diagnose, die der Autor uns Menschen des ausgehenden 20. Jahrhunderts stellt, ist nicht gerade ermutigend, aber sie trifft genau. Das Leben läuft wie ein Film ab, wir betrachten uns selbst von außen und sehen die eigentliche Wirklichkeit auch mehr wie im Film, also virtuell. Bei Grond klingt diese Tatsache im Dialog zwischen dem Physiker Nichol und der jungen Freundin seines begabtesten Studenten Hofer z.B. so:

"Was bedeutet Soaptrag?" sagte Nichol.
"Ist der ultimative Film der Jahrtausendwende." Ihre Stimme war belegt, sie sprach leise. "Soap steht für die täglichen Soapoperas im Fernsehen, und trag für eine echte Tragödie. Trifft total."
Sie stand, halb von Nichol abgewandt, neben dem Aschenbecher. Während Hofer, selbst wenn er redete, rasch in seinem Umfeld verschwand, trat Karen raumgreifend auf. Nichol verstummte vor ihr. Sie war so jung wie Hofer, aber man mochte sie als zeitlos empfinden. Geradezu gouvernantenhaft ließ sie sich über den Inhalt des Films aus, den er in wenigen Minuten selbst sehen würde.
"Zwei Teenies, Allen und Frankie, und ihre Schwester Tobsie gehen den ganzen Tag nicht aus dem Haus, nur wenn sie zur Schule müssen,", sagte sie, "ihr Vater ist Banker und die Mutter Anlagenberaterin."
"Karen, verraten Sie mir nicht den ganzen Film!"
"Was für ein gaga ist das?"
"Dann ist doch die Spannung weg."
"Wollen Sie nicht kommunizieren?" sagte sie und setzte ihre Erzählung unbeirrt fort: "Die Kids sind total cool, echt leistungsfähig. Wenn sie nicht über ihren Büchern hängen, laden sie Programme herunter und spielen japanische Mangas, extrem gut animiert. Neuerdings auch Lord of the Ring, ketlischen Stoff, lauter mystisches Zeug, fahren total darauf ab. Sie kennen nur eine Location, ihr Elternhaus. Schenken sich Zinnsoldaten und reden sich mit archaischen Namen an. Vor Mitternacht trinken sie Bier, bis zum Umfallen. Die Eltern sehen sie selten, aber das ist echt Nebensache. Das Haus immer aufgeräumt, am Sonntag sitzt man am Mittagstisch, am Nachmittag gibt es einen Ausflug ins Grüne."
"Und die Liebe?" sagte Nichol.
Karen zündete sich eine Zigarette an, schaute ihn ruhig und ausdauernd an, blies den Rauch höflich zur Seite.
Dann sagte sie: "Eines Tages werden sie tun, was unvermeidlich ist. Ist schließlich eine starke biochemische Reaktion, zur Arterhaltung notwendig, also echt vernünftig."
Nichol wäre am liebsten im Boden versunken.

So scheinbar cool dieser neue Roman "Old Danube House" auch geschrieben erscheint, so betroffen macht er, weil er – wie gesagt – unsere Zeit genau trifft.


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