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16. Januar 2001

Literatur als Dienstleistung

Walter Grond gibt sich antiexperimentell

Vor gut einem Jahr hat Walter Grond im Essay-Band «Der Erzähler und der Cyberspace» seine Wende vom hermetisch-artistischen zum publikumsorientierten Schreiben begründet und in einen theoretischen Rahmen gestellt. Darin verabschiedete er in aller Vehemenz eine vornehmlich sich selbst thematisierende Literatur, die nur eine kleine Elite von «Kirchgängern» zu erreichen, in ihrem «Krieg gegen den Leser» die alltägliche Lebenswelt nicht mehr zu fassen vermöge. Parallel zum Ende des Experimentierens zeichne sich andererseits ein «Realismus nach dem Realismus» ab, der die Auflösung tradierter Welterfahrung im Wissenschaftszeitalter darzustellen hätte, in allgemein verständlicher Form.

In Erzählstrategien, die sich auf die Gegenwart einlassen, in der Schilderung einer wirklichen Wirklichkeit unserer unter dem Diktat der Kommunikation stehenden Epoche soll dem Menschen ein gültiges Bild des Lebens vermittelt werden können. Als passgenau konstruierte Chimäre beschreibt Grond den Autor solchen Erzählens, «gleichzeitig tot und lebendig», wird er «nicht mehr gegen ein Publikum anschreiben, sondern um dieses Publikum werben». Eine Vorform dieses Autors sieht Grond in Johannes Mario Simmel; für seine eigene praktische Umsetzung des Konzepts legt er die Latte ein wenig höher.

«Schon möglich, dass, wenn man zu leben wusste, man auf den Sinn des Ganzen schliessen konnte.» Dieses Zitat aus Hemingways «Fiesta» stellt Grond seinem die Theorie in vorbildlicher Konsequenz umsetzenden Roman voran. Hemingway ist für Grond das Idealbeispiel für ein als (erfolgs)tauglich erachtetes Erzählen, das sich vor allen sprachlichen Exerzitien auf handwerkliches Können abstützt.

Dass diese Leserschaft eine grössere sein wird als die viel beklagte übliche, wünscht sich schon der international ausgerichtete Titel des Romans. «Old Danube House» lautet er, es ist der Name jener multikulturellen Begegnungsstätte in Sarajewo, in der Johan Nichol seine Spurensuche nach Nicola Sahli beendet. Über das Internet hatte er vom Selbstmord des Physikers erfahren, eine Nachricht, die ihn in eine persönliche und berufliche Krise stürzte. Wien und Moskau sind die weiteren Schauplätze des Buches, in dem der bosnische Wissenschafter als zureichend mysteriöse Schlüsselfigur immer herumgeistert, fahl erhellt von einem bekömmlichen Mix aus fast allen heute angesagten grossen Themen von Kultur und Wissenschaft.

Künstliche Intelligenz und Quantenphysik, Esoterik und Technikgläubigkeit, Krieg und Liebe mischt der Autor in seinem coolen Antiexperiment auf, in einer Sprache, die irgendwo zwischen Philip K. Dick und dem frühen Pynchon liegt. Gronds Modell eines gehobenen Trivialromans liest sich flüssig, auch für Spannung ist gesorgt. Es gibt, wo sie so professionell daherkommt, keine Einwände gegen diese späte Version einer engagierten Literatur. Die Frage, ob in und mit ihr erst der Begriff «Autorschaft» endgültig beerdigt oder in den Kontexten von Design und Brauchbarkeit neu formatiert wird, macht sie geradezu interessant.

Bruno Steiger

Walter Grond: Old Danube House. Roman. Haymon-Verlag, Innsbruck 2000. 281 S., Fr. 38.80.

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