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Die Akzeptanz der
slawischen Seele in Europa, seine persönliche Verbindung zu slawischen Seelen, sein neues
Buch das sind nur einige Themen im Gespräch mit Walter Grond.
Ich glaube, dass das weniger damit zu tun hat, dass an der slawischen Seele etwas
anders ist als an der beispielsweise österreichischen, sondern, dass zur Konstruktion
einer Behauptung, es gäbe eine österreichische Seele, man ein fremdes Gegenüber braucht
etwas, was man fürchtet. Also zur Konstruktion von Identitäten hat immer ein
Fremdes gehört, ein Anderes dazuzukonstruieren und das slawische, ich denke vor allem
seit der Existenz der sowjetischen Ostblockstaaten, war ein hervorragendes Feindbild für
den Westen.
Und hat sich sozusagen über nationale Konstruktionen nach der Auflösung des sowjetischen
Imperiums nach 89 ziemlich gut dafür geeignet in Westeuropa, als so ein fragwürdiges
erratisches Konstrukt übrigzubleiben.
Seit dieser Auflösung sind fast 10 Jahre
vergangen. Warum dauert es so lange, bis die Westeuropäer oder der Rest von Europa
begreift, dass die slawische Seele nicht anders ist als ihre?
Ich glaube, dass es da mehrfache Gründe gibt. Die einen sind vergangenheitsbezogen.
Ich erinnere mich: als Kind wurde, sowohl an den Wirtshaustischen in einem kleinen
Landdorf, wo ich aufgewachsen bin, als auch zu Hause bei meiner Mutter, immer von den
Russen gesprochen die kommen. Und ich erinnere mich auch, dass ich so als Halbwüchsiger
im Internat, in der Klosterschule einmal nachgefragt habe, wann denn die Russen jemals
gekommen seien, wissend vom Geschichtsunterricht, dass Napoleon dorthin ging und nicht die
Russen nach Europa, dass Hitler dorthin ging und nicht die Russen nach Europa, aber als so
feststehender Angsttopos hat sich das eingegraben irgendwie historisch und offensichtlich
über Propaganda. Ein zweites wird wohl sein, dass durch die Auflösung oder das
Niederreissen des Eisernen Vorhangs 89 sehr viele Österreicher, die ja 40 Jahre nach dem
Krieg an so etwas wie einer österreichischen Identität zu knabbern und zu bauen hatten,
nun für sich in den familiären Verhältnissen draufgekommen sind, dass sie eigentlich
viel weniger deutsch sind, sondern sehr viele Spuren in diesen slawisch-ungarischen
Ostraum an der Ost-Grenze Österreichs hatten.
Und ein Stück Selbstleugnung der Geschichte, von eigener Geschichte, ist auch dieses
Vonsichweisen einer Vergangenheit, die ja, würde ich sagen, in der Monarchie eine sehr
hierachische gewesen ist. Also die Zuwanderer aus diesen Räumen der Donaumonarchie sind
meistens Untergebene gewesen. Ganz ähnlich wie die meisten Migranten, die heute von den
westeuropäischen Zentren und Zentralen und Metropolen, ja auch über den gesteigerten
Dienstleistungsbedarf angelockt werden.
Und ein drittes ist, gerade was Jugoslawien betrifft, glaube ich, dass die linken
fortschrittlichen sowohl links-katholischen als auch link- marxistischen als auch
links-liberalen Kreise in Europa in diesem dritten Modell Jugoslawiens, in diesem
sogenannten dritten Modell Jugoslawiens also zwischen den beiden Frontsystemen im kalten
Krieg sehr viel hineinprojiziert haben.
Zizek hat ja 92 bei Ausbruch des Kriegs in Bosnien davon
gesprochen, dass der Krieg in Jugoslawien der Krieg der Fantasmen der Westeuropäer ist.
Der Fantasmen eben von ihren eigenen Träumen von einem anderen Weg. Also dieses Slawische
hat ja immer diese Ambivalenz in sich gehabt: einerseits das gefürchtete wilde unbekannte
und andererseits das anarchische, erotische, zum Teil auch südliche.
Walter Grond lebte zwei Monate in Sarajevo. Ist
der Unterschied zwischen der Menschen, die in Westeuropa leben und den Menschen in Ost-
bzw. Südosteuropa wirklich so groß, dass sie aufeinander vorbereitet werden müssen?
Ich hab ja eigentlich Sarajevo in Österreich kennengelernt. Weil ich 93, als Dzevad
Karahasan und seine Frau Dragana nach Österreich kamen, an einem der ersten Tage, die sie
hier waren, kennengelernt habe. Zwei sehr nervöse, zerrüttete Menschen, die gerade aus
dem Krieg kamen und wir wurden sehr bald Freunde. Die beiden sind dann bald nach
Göttingen gegangen, weil er dort Lehraufträge bekam und ich sah, dass sie auf
irgendeiner Weise unglücklich gewesen sind. Und sie erzählten mir, sie würden gerne
nach Graz kommen weil das Leben in Graz ihnen sehr ähnlich erschiene zu dem in Sarajevo.
Die beiden kamen dann nach Graz und es ist eine tiefe Freundschaft entstanden. Ich habe im
Grunde dieses Stück Sarajevo, das sie oder dieses Stück Bosnien, das sie in ihre
Emigration mitgenommen haben, als etwas kennengelernt, was tatsächlich sehr viele Spuren
in meinem eigenen Leben hat, also sowohl, was meine Familiengeschichte betrifft, als auch
sehr viele Kulturgewohnheiten, wie wir sie hier tagtäglich vorfinden, parallel gingen.
Also von daher hab ich diesen Blick Karahasans auf seine Heimatstadt, die er verlassen hat
und der sicher auch ein sentimentaler, verträumter gewesen ist also einer der sich nicht
immer der Realität dieser verlorengegangenen Stadt gestellt hat. Das war es also, was
mich ohne jegliche Ressentiments nach Sarajevo gehen liess.
... Textauszug! |
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