[kontext]
# 031
[28•2000]

[dhouse]

[house] ein projekt über das fremde


corepage
hilfe

8.5.2000 [grond]
Meine Herren, mir kommen wieder einmal ein paar Gedanken in meinem Gehirn unter, bezüglich des Verhältnisses von Hypertext und Roman in unsrem Projekt: ich lese gerade "Tristesse Royal", ein Buch mit einem inszeniertem Gespräch zwischen einigen deutschen Popliteraten, Stuckrad-Barre, Kracht und einige andere. Auch blättere und lese ich in Christines deutschem Pop-Buchstoß: die oben genannten, auch Rainald Goetz usw. Was mir auffällt, ist zum einen, daß Gattungen aus der literarischen Tradition ersetzt werden durch ein Begriffsfeld, das man aus der neueren Musik kennt (Mix, Remix, Soloalbum usw.). Interessanter finde ich, daß es sich bei all diesen Autoren um diskursive Literaturen handelt. Die reden über sich, ihren Alltag; ihre Pose ist die Privatheit, sie sind Experten im Dekonstruieren der Konsum- und Werbewelt, und sagen andauernd Ich, Ich, Ich ... aber eben diskursiv. Man kann das überhaupt nicht über ein Buch lang als Leser mitzumachen, finde ich, es wird langweilig und dreht sich mehr um Reliquienfabrikation der Popexistenz. So ähnlich wie Handke in den Siebzigern, der einem auch schon die Tagebücher bei Lebzeiten angetan hat. Klar, etwas für die Fangemeinde.

Mich interessiert nun, inwieweit unser "house" etwas Ähnliches tut (was ja durchaus reizvoll ist), inwiefern der Anspruch anders liegt, und vor allem: in welchem Zusammenhang unsre in verschiedene Ebenen fragmentierte house-Debatte zurückverweist auf den Roman: die Fiktion im Roman schafft ja für mich etwas, was die künstlerisch-diskursiven Methoden mir nicht zu schaffen scheinen: sie bewegen mich, einer Geschichte zu folgen, ohne daß ich den Autor kenne - eben des Stoffes und der spezifischen Qualität der "Übersetzung" (Sprache, Struktur) des Stoffes wegen. Das ist das eine. Das andere betrifft den Inhalt: während Goetz, Diederichsen und Co. ihrem Popdandyismus immer Kritik und Ironie beigesellten, fehlt das Stuckrad und Co., oder vielleicht auch nicht, ich weiß nicht. Mir scheint, da werden postkolonialistische Strategien von unterdrückten Communities, wie sie in der Popkultur üblich sind, von weißen Großbürger- und Adeligensöhnen übernommen: ist das im Kopf auszuhalten, wenn in "Tristesse royal" ein Jungadeliger von Heirat als Besitzsicherung spricht? Ist natürlich auszuhalten, man sagt sich auf Grund des Kontextes wegen, im Hotel Adlon, wie immer wieder betont, reichste Umgebung in Berlin, die poptheoretisch überhöht wie die Slums von Mexico City wirkt. Wenn ich die österreichische Außenministerin Ferrero-Waldner reden höre, höre ich aber etwas Ähnliches, poptheoretisch?

CV als Mimikry.



back | next
top | zeittafel | core | home | feedback
[house] home | diskussionsforen:
politik | kultur | medien | wissenschaft

kultur.at-flipside | kultur.at-aviso
walter grond | martin krusche | klaus zeyringer