Zuflucht |
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Dolmetsch: Veronika Leiner | Rogelio Saunders Chile Im Gespräch... ...mit Walter Grond WALTER GROND: Sie leben seit einem Jahr als Stefan-Zweig-Stipendiat in Salzburg. Wie wurde das Netzwerk der Zufluchtsstädte auf Ihre Situation aufmerksam, wie entstand der Kontakt? ROGELIO SAUNDERS CHILE: Ein Freund aus Spanien, Rolando Sánchez, machte mich auf diese Initiative des Internationalen Schriftstellerparlaments aufmerksam. Ich habe einen Brief geschrieben und meine Situation geschildert, und das Parlament hat entschieden, mir zu helfen. Dann fand man eine Übereinstimmung mit der Stadt Salzburg, und schließlich hing der Zeitpunkt meines Kommens von der Situation in Kuba ab. Solange die Regierung eine Ausreise verweigerte, war die Reise nach Europa nicht möglich. GROND: Was bedeutete für Sie die Nachricht, eine Stadt in Österreich würde Sie als Gast empfangen? War Österreich überhaupt ein Begriff für Sie? SAUNDERS: Zuallererst sucht das Schriftstellerparlament ja eine Stadt, zu der ein Autor schon eine Beziehung hat. Wenn es sich um den gleichen Kultur- und Sprachkreis handelt, ist eine Integration leichter möglich, aber nicht immer ist ein Platz frei, der diesem Idealbild entspricht. GROND: Österreich war für Sie völliges Neuland? SAUNDERS: Ich habe die österreichische Literatur recht gut gekannt, aber ich spreche nicht deutsch. GROND: Welche österreichische Literatur liegt in Kuba in Übersetzungen vor? SAUNDERS: Am meisten gibt es von Stefan Zweig; aber es gibt ja aus anderen spanisch sprechenden Ländern wie Mexiko auch Übersetzungen, so haben wir Zugang zu praktisch allen wichtigen deutschsprachigen Autoren. Ins Spanische sind im Grunde alle wichtigen europäischen Literaturen übersetzt worden (wie die italienische, französische, englische), vor allem die moderne Literatur. Übersetzt wurde sowohl in Spanien als auch in den lateinamerikanischen Staaten, die Zentren dort sind Mexiko und Argentinien. Wir hatten auch in Kuba Zugang dazu. GROND: Das Bild, daß Sie von Österreich hatten, war ein literarisch Geprägtes. SAUNDERS: Ja. Von der Literatur und von Filmen. GROND: Traf das auf alle Ihre Vorstellungen von Europa zu? SAUNDERS: Ja, natürlich. Europa ist für einen Kubaner etwas sehr Zwiespältiges. Zum einen bedeutet es einfach Ausland, und zum anderen bedeutete Europa die Ostblockstaaten, die Sowjetunion und die anderen mit Kuba befreundeten Staaten. Jenseits waren die kapitalistischen Staaten, die man aus der Betrachtung ausblendete. GROND: Waren Sie jemals in Europa gewesen? SAUNDERS: Ich war schon aus Kuba herausgekommen, aber nicht nach Europa. GROND: Erinnern Sie sich an Ihre erste sinnliche Erfahrung, als Sie aus dem Flugzeug ausstiegen, vor jetzt knapp einem Jahr? SAUNDERS: Das erste und wichtigste war die Kälte. Es hatte unter Null Grad, und das war eine sehr wichtige Erfahrung für mich. Ich hatte noch nie Temperaturen unter Null Grad erlebt. Das war eine so völlig neue Erfahrung, man kommt von einer Welt in eine andere, das muß für Armstrong so gewesen sein, als er auf dem Mond landete. Es gibt einen Film von Woody Allen, "Die Rose von Kairo", da kommen die Figuren aus der Leinwand heraus, so ähnlich war das für mich, so als würde ich plötzlich in einen Kinofilm einsteigen - plötzlich war ich selbst in diesen Straßen, die ich bisher nur vom Kino gekannt hatte. GROND: Deckt sich Ihre Alltags-Erfahrung einer europäischen Stadt mit den Phantasmen aus Büchern und Filmen? SAUNDERS: Wenn man eine negative Vorstellung von Österreich hat, eben so, wie es Thomas Bernhard in seinen Büchern beschreibt, und wenn man Robert Musil gelesen hat, seinen kakanischen Traum, findet man freilich zunächst ein anderes Österreich vor. In der Literatur handelt sich um ein anderes Realitätsniveau, das man mit der tatsächlichen Realität schwer vergleichen kann. Diese Verwechslung passierte ja Komeinhi, als er Salman Rushdie für seinen Roman als Mensch verurteilte. Thomas Bernhard zu lesen, ist die eine Sache, und dann tatsächlich mit Österreichern zusammenzutreffen, eine andere. Natürlich sind es Ebenen, die sich austauschen, aber das alles ist eine sehr komplizierte Erfahrung. GROND: War es für Sie schwierig, sich an den österreichischen Alltag zu gewöhnen? ... Textauszug! |
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