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Zuflucht
Autoren im Exil




Österreichs Partnerschaft
am "Netzwerk der Zufluchtsstädte"

Von Walter Grond

Ich habe seit 1997 das Bundeskanzleramt Klima in Fragen der Hilfe für politisch verfolgte Autoren beraten. Vier österreichische Städte - Götzis, Graz, Salzburg und Wien - betreuen Autoren im "Netzwerk der Zufluchtsstädte", einer kulturpolitischen Initiative des Internationalen Schriftstellerparlamentes. Die österreichische Partnerschaft wurde vom ehemaligen Staatssekretär Wittmann bis zum Jahr 2001 zugesichert, seit einiger Zeit bestehen aber erhebliche Auffassungsunterschiede über die Praxis dieses Netzwerks. Um die Differenzen beizulegen, hatte Wole Soyinka, Präsident des Schriftstellerparlaments, für das Frühjahr 2000 seinen Besuch in Wien angekündigt. Am 4. Februar kündigte nun das Schriftstellerparlament die Zusammenarbeit mit der österreichischen Regierung und distanziert sich damit von Rassismus und Xenophobie der Haider-FPÖ. Zurecht. Man stelle sich vor, Wole Soyinka kommt nach Österreich und trifft Staatssekretär Morak. Wole Soyinka, jahrzehntelang in Nigeria politisch verfolgt, kann nicht mit Franz Morak verhandeln, dessen politischer Pakt-Partner Kabas vor kurzem in Wien kundtat, Schwarzafrikaner wären genetisch zum Rauschgiftdealen besonders geeignet. Durch ihren Pakt mit Haider ist die neue Bundesregierung im internationalen Dialog handlungsunfähig; zugleich bestätigt der österreichische Tabubruch die zentrale Botschaft von "Städte der Zuflucht": in einer global vernetzten Welt wird gerade den Städten und ihrem urbanen kulturellem Modell die Aufgabe zufallen, die verbliebene Grenze im Fluß der Lebensgeschichten von Menschen zu sein, die es mehrmals in ihrem Leben in die Fremde verschlägt.

Die österreichische Partnerschaft hatte aus Angst vor Haider ein eigenständiges Modell im Netzwerk der Zufluchtsstädte angestrebt. So sollten nicht die Städte einen Vertrag mit dem Schriftstellerparlament schließen, sondern die Bundesregierung für die Bündnistreue der Städte garantieren. Die Bürgermeister und Kulturstadträte Wiens, Salzburgs, von Graz und Götzis, so das Argument, würden einen Vertrag nicht unterschreiben können, der sie als Helfer von Asylanten ausweist, wo doch Haiders Leute mit rassistischen Parolen Wahl um Wahl gewannen. So diente das Bundeskanzleramt und seine Kulturpolitik als Feigenblatt für fehlende Zivilcourage in den Städten. Der Stillstand erschien in Österreich wie der Fortschritt - ein Umstand, der in vielen gesellschaftlichen Feldern in Österreich zutrifft.

Ich halte das gegenwärtige Österreich für kein Naziland, sondern in der Hauptsache für ein Land voll ängstlicher Opportunisten, dazu erzogen, nicht selbständig zu denken, und noch vielmehr, nicht selbständig zu sein. Wenn in den letzten Jahren ein Gefühl vorherrschte, dann das der politischen Hoffungslosigkeit. In Österreich lebte man in einem in allen Lebensbereichen von Funktionären besetzten Land, was jenes Gefühl, im Ostblock zu leben, so verstärkte. Ein Freund, Managmentlehrer und Sozialdemokrat, erzählte mir vor einigen Tagen, er fühle sich angesichts der internationalen Reaktionen auf den Schüssel-Haider-Pakt so ähnlich wie als Kind, wenn er beim Kirschenstehlen erwischt worden sei. Die Agonie der politischen Öffentlichkeit mitverfolgend, habe er auch schon den bösen Spuk als unumgänglich betrachtet. Und nun die so unerwarteten internationalen Reaktionen! Ich bin wie er dankbar für die internationale Empörung, und nichts wäre katastrophaler für die demokratische Entwicklung Österreichs, als daß die internationalen Sanktionen nicht durchgehalten würden. Ein amerikanischer Wissenschafter, der zeitweise in Österreich unterrichtet, ist jedesmal zutiefst empört, wenn Österreicher von der Zeit der amerikanischen Besatzung sprechen. Die Amerikaner waren doch nicht Besatzer, sondern Befreier gewesen, erbost er sich dann. Ich las eben die ausgezeichnete Analyse Filip Davids über das Entstehen der serbischen Katastrophe, zu finden in dem von Freimut Duve und Nenad Popovic herausgebenen Buch "Verteidigung der Zukunft". David beschreibt, wie Milosevic, seine Helfer und Helfershelfer - darunter Autoren und Intellektuelle - die Grundlagen eines nationalistisch kulturellen Modells entwarfen und systematisch propagierten. Mir fielen einige Merkmale auf, die mir sehr bedenkenswert erscheinen, weil sie zeigen, wie schmal der Grad zwischen medialem Geplänkel und tatsächlicher Eskalation ist. Davids Hinweis etwa auf die Verbreitung der Auffassung, was geht uns die Welt an? ist etwas, was wir heute in Österreich gut kennen. Dann die Entrüstung über die Heuchelei der westlichen Welt, der Widerwillen gegen die Förderung des technologischen Fortschritts, gegen politische Pragmatik und das Betonen von Menschenrechten. Im weiteren die Kriminalisierung der politischen Gegner. Dann das Versprechen von Ordnung, Arbeit, Friede. Der wirre Mix extrem linker und extrem rechter Theorien. Und schließlich das Salonfähigmachen von Präpotenz, Grobheit, Bereitschaft zur Gewalt aller Art und Rücksichtslosigkeit. Nicht zufällig begeistert sich Milosevic für Haider, und trotzdem ist Österreich in einer nicht vergleichbaren Situation wie Jugoslawien vor zehn Jahren. Österreich ist Teil der Europäischen Gemeinschaft, und im österreichischen Parlament sitzen starke Oppositionsparteien. Was uns aber Filip Davids Mitschrift der jugoslawischen Tragödie lehrt, ist, daß politische Gleichgültigkeit ein gefährliches Verhalten ist, und vorallem, daß es ein Gut in Demokratien gibt, das zu unterschätzen gefährlich werden kann: die Möglichkeit nämlich, Schüssel und Haider abzuwählen.

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