Das jugoslawische LabyrinthLiteratursymposion 1995Vorab-Statements Aleksandar Flaker |
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Im Jahre 1989 wurde ich an der Zagreber Universität emeritiert, und am Tag
meiner Emeritierung wurde ich zum Gastprofessor an der Universität Wien ernannt. Mein
Lebenslauf wurde dadurch kaum verändert; nach Wien kamen die Reisen nach Innsbruck, und
an der Alma Mater leitete ich weiter ein Projekt, dessen Ergebnisse der ersten Phase bei
Droschl auf deutsch erschienen [Glossarium der russischen Avantgarde, Graz 1989]. Mit
einer Unterbrechung 1991 fanden jährlich Tagungen des Zagreber "Glossariums"
mit internationaler Teilnahme statt. Im Jahre 1989 war aber auch der Krieg schon da: die
Jugoslawische Armee hat mit Gewalt die Autonomie der Albaner im Kosovo niedergeschmettert,
und der serbische Führer drohte am Amselfeld (28.06.) mit der Ausbreitung der Gewalt auf
andere Gebiete. Planmäßig ging es weiter. Als Befreiung vom erkannten Übel habe ich,
wie die meisten Kroaten zuerst die freien Wahlen, dann auch die
Selbständigkeitserklärung begrüßt; die Bedrohung war aber sehr nahe: Belgrad war immer
noch am Steuer! Dann kam der Einsatz
der Armee in Slowenien, danach in Kroatien. Für meine eigenen Entscheidungen war der
September 1991 äußerst wichtig. Meine Stadt wurde angegriffen, aus den Kasernen und von
den Flugzeugen sinnlos beschossen. Ich saß an der Schreibmaschine und schrieb ein
Nachwort für die deutsche Dostojewski-Ausgabe. Dazu sollte ich an einem Gespräch über
die "Intellektuellen im Krieg" im Fernsehen teilnehmen. Wegen der Flugalarme
konnte man aber nicht zum Fernseh-Gebäude kommen: das Gespräch kam nicht zustande. Ich
habe dennoch mein Statement für dieses Gespräch niedergeschrieben und es erschien in
einer Zeitung. Vom Beispiel
Dostojewski ausgehend, habe ich auf die Fälle der Schriftsteller als Kriegshetzer, auch
auf die Vorprogrammierung dieses Krieges durch serbische Akademiemitglieder hingewiesen.
Andererseits habe ich in meiner Stellungnahme klargemacht: auch wenn ich am
Verteidigungskrieg teilnehmen will, muß ich diese Pflicht mit der Würde meines Berufes
erfüllen. Habe ich diesen
Gedanken Folge geleistet? Im Grunde genommen, ja. Während meines Aufenthaltes in Wien,
immer wieder zur Beruhigung Zagreb besuchend, habe ich an verschiedenen kroatischen
Veranstaltungen in Wien teilgenommen, für die kroatische Presse geschrieben und die
Vorlesungen an der Universität mit 10 der kroatischen Literatur gewidmeten Minuten
begonnen: Texte gelesen, die eine aktuelle Bedeutung gehabt haben könnten, zu der Zeit
als Vukovar, Osijek oder Dubrovnik vernichtet oder beschossen wurden. Beim Auftritt eines
kroatischen Dichters haben mich die Studenten gefragt, welcher Nation ich zugehörig bin.
Klar habe ich gesagt: Ich bin ein Kroate! Ja, wieder habe ich, ein gebürtiger Pole
deutscher Herkunft, für Kroatien optiert. Im Jahre 1941 für den kroatischen
Antifaschismus, im Jahre 1991 für den Wiederstand Kroatiens gegen eine barbarische
Aggression. Im Jahre 1992, schon
während des bosnischen Krieges, hat mich jemand in Heidelberg gefragt, was man meiner
Meinung nach für Bosnien tun könnte? Ich habe kurz geantwortet: "Gewalt kann man
nur mit Gewalt erwidern!" Der Kollege staunte: "Aber, Herr Professor!" Habe
ich recht gehabt? Angesichts der Entwicklung, wahrscheinlich ja. Aber eins muß man dazu
sagen: die Gewalt der einen Seite ruft die Gewalt der anderen Seite hervor; der die Gewalt
bekämpft, wird auch zum Gewalttäter. Die diesjährigen Jubiläumsbeispiele beweisen es.
Dresden, Hiroshima, oder Bleiburg ... Dieses Memento scheint mir auch äußerst wichtig zu
sein. Ein großer Teil der
kroatischen Kultur hat die Kriegsprüfung bestanden: der Barbarei gab sie würdige
Antworten; wird sie diese Würde behalten können und dürfen? |
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