Das jugoslawische LabyrinthLiteratursymposion 1995Vorab-Statements Filip David |
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Mein Leben nach
1988 In jedem Fall deutlich anders als davor. Als sich der Zerfall
Jugoslawiens abzuzeichnen begann, war ich mit einigen Freunden, die z. T. ebenso an diesem
Symposion teilnehmen, an der Gründung der Gruppe Unabhängige Schriftsteller
beteiligt. Ein Versuch, dem Wahnsinn beizukommen, der über uns hereinbrach. Die
Gründungsversammlung fand in Sarajevo statt. Im Jahre 1990 war
ich in Beograd an der Gründung des Beograder Kreises, der Vereinigung
unabhängiger Künstler und der unabhängigen Gewerkschaft der Rundfunk- und
Fernsehanstalt Beograd maßgeblich beteiligt. Aufgrund dieser öffentlichen Aktivitäten,
aufgrund meiner Arbeit in der Gewerkschaft, vor allem aber wegen meines Engagements um die
Einhaltung des professionellen Kodex (der u.a. Kriegspropaganda, nationalistische Hetze
und Rassenhaß, das Führen von schwarzen Listen sowie sämtliche Formen von
Medienmißbrauch verbietet), wurde ich in Zeiten hitzigster Kriegspropaganda vom Fernsehen
zur persona non grata erklärt und nach dreißigjähriger Arbeit als Redakteur in der
Abteilung für Theater, Film und Kultur aus dem Haus gejagt. Ich gründete die Zeitschrift Recht auf Wort und Bild,
die sich gegen Zensur und Medienmißbrauch richtet. Ich verfaßte eine Reihe von Texten
gegen jene Politik und Denkweise, die Serbien als Staat und die Serben als Volk deutlich
dorthin gebracht haben, wo sie heute stehen. Das Hier und Heute ist ein ständiger Kampf um die Erhaltung
moralischer Bedenken, aber auch ein Kampf ums simple Überleben, begleitet von anonymen,
aber auch öffentlichen Drohungen infolge vermeintlichen Verrats und mangelnden
Nationalbewußtseins. Solche und ähnliche Probleme haben jedoch, wie ich höre, auch
meine Freunde in anderen Umgebungen. Ich kann nicht in die Zukunft blicken. Wir alle leben von
heute auf morgen. Ich könnte nicht sagen, daß ich nicht besorgt wäre, vor allem um
meine Familie. Aber die großen Versuchungen, durch die wir durch müssen, stellen
gleichzeitig auch eine große Prüfung des Gewissens dar. Diese Prüfung nicht zu
bestehen, bedeutet, daß auch alles andere wertlos geworden ist.
Übersetzung: Nadja Grbic |
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