Das jugoslawische Labyrinth

Literatursymposion 1995


Einleitung

Von Nenad Popovic

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Textauszug!

Ich glaube, daß, nachdem Walter Grond umrissen hat, worum es geht, ich nicht mehr viel zu sagen habe – vor allen Dingen, weil Sie den Autoren selber zuhören sollen, die hierher gekommen sind; und ich bin auch darauf gespannt, was in den nächsten drei Tagen  bzw. bis Sonntagabend an Erfahrungen und an Diskussionen öffentlich wird. In der Tat ist das Forum Stadtpark die literarische Werkstatt gewesen, der Ort, an dem 1988 zum ersten Mal überhaupt eine nicht-offizielle Präsentation der damals jugoslawischen Literatur stattgefunden hat. Damals 1988 fand ich das wichtig, weil ich dachte, es gilt immer noch, uns vom Sozialismus zu befreien, von den Resten des Stalinismus damals. Ich wußte 1988 nicht, daß wir schon auf der Titanic tagten. Es war mir nicht bewußt, und es kam bei dem Treffen damals auch nur in wenigen Akzenten  zum Ausdruck (bei slowenischen Kollegen eher).

Innerhalb von sieben Jahren ist einiges passiert, darüber brauchen wir Sie nicht zu informieren, das sehen wir jeden Tag im Fernsehen und darüber lesen wir täglich. Ich möchte Ihnen auch sagen, daß ich diese Veranstaltung nicht als etwas sehr Offizielles sehe, sondern als ein Treffen an einem guten Ort. An einem guten Ort für Literatur, an einem guten Ort für Kunst, zu dem wir immer wieder kommen können. Es ist ja auch so gewesen, daß das Jugoslawische Labyrinth 1988 einfach daraus entstanden ist, daß Professor Aleksandar Flaker in Graz an der Slawistik gelehrt hatte, mit Max Droschl zusammen ein Buch gemacht hatte. Wir kannten uns alle irgendwie und waren dann hierher gekommen. Auch diesmal ist es letztlich so und es soll auch so bleiben.

Labyrinth, das sagte schon Walter Grond, meinte damals nicht das furchtbare Labyrinth, das schreckliche Labyrinth, das wir seit 1990/91 erleben, sondern  es meinte damals ein Labyrinth als Metapher für ästhetische Dinge, für literarische Konzepte. Ich glaube, es ging damals ebenso um Individualitäten. Einer der Schwerpunkte war, zum Beispiel, die Frauenliteratur zu präsentieren, die damals in den 80er Jahren in Jugoslawien sehr gut und sehr wichtig war. Wir haben die Apokalypse damals nicht vorausgesagt, wir hätten wohl besser daran getan, schlechte jugoslawische Zeitungen zu lesen, als uns Gedanken über Literatur zu machen. Denn, in den finstersten Ecken der jugoslawischen Presse war nämlich alles angekündigt, schon damals. Keiner von den Autoren allerdings, die damals das Forum Stadtpark aufgrund der Zusammenarbeit mit Aleksandar Flaker  eingeladen hatte, hat sich in irgendeiner Weise an diesem Krieg beteiligt, keiner, glaube ich, hat auch nur einen Funken dazugegeben, daß diese furchtbare Flamme aufgeht und ganze Städte und ganze Landschaften und Hunderttausende von Menschen auffrißt. Das ist wichtig zu sagen, denn sehr viele unserer Kolleginnen und Kollegen haben wesentlich zur Ausformulierung von Ideologien der Völkervernichtung beigetragen. Viele von ihnen, wirklich viele, sind direkt an dem Krieg und an Verbrechen beteiligt. Es ist wohl einfach der gute Geschmack von Aleksandar Flaker gewesen, daß wir andere Autoren waren, andere Menschen, aber das besagt auch etwas anderes: Es sind die schlechten Literaten, die diesen Krieg machen oder an ihm Teil nehmen.

Weil ich als erster von uns rede, möchte ich mich im Namen von uns allen für diese Einladung bedanken. Sie ist die erste Gelegenheit seit dem Kriegsausbruch, daß wir uns wiedersehen. Diese Veranstaltung ist deshalb für uns genauso interessant und spannend wie eventuell für Sie. Wir hoffen, ich glaube, ich darf das für uns alle sagen, daß Sie uns viele Fragen stellen. Ich bin sicher, daß auch die Statements, die so manche von uns geschrieben haben, Ihnen ein wenig helfen können, zu sehen, was der eine oder andere zu den Fragen des Krieges denkt.

Es sind von den 1988 Anwesenden drei nicht gekommen:  Dubravka Ugresic, weil sie in den Vereinigten Staaten ist und dort an einer Universität lehrt; Pavao Pavlicic ist nicht gekommen, weil er Grippe hat; und diese Grippe herrscht offensichtlich auch in Slowenien – Drango Jancar ist auch deswegen nicht gekommen. Das ist schade. Drago Jancar ist eine zentrale Figur der slowenischen aber auch der ex-jugoslawischen Diskussion geworden. Pavao Pavlicic hat seine Stadt Vukovar verloren und erschreibt sie seitdem. Und, Dubravka Ugresic ist eine der Autorinnen und Autoren, die mit den postjugoslawischen Dingen nichts mehr zu tun haben oder wenig zu tun haben wollen und ins Ausland gegangen sind. Es ist schade, daß sie nicht mehr da sind. Dafür sind aber andere gekommen, die höchst interessante Profile vorstellen können.

Ganz besonders wichtig sind uns natürlich dieses Jahr die bosnischen Gäste. Bosnien brennt noch immer. Ich glaube, wir sollten das bedenken; ich weiß nicht ob Abdulah Sidran gekommen ist oder nicht [Walter Grond: Das wissen wir zur Stunde nicht, weil der Kontakt seit gestern abgebrochen ist], aber ich finde, daß es auch eine gute Entscheidung war, Dzevad Karahasan als ersten reden zu lassen: denn er ist einer der wichtigen Teilnehmer des ersten Symposions gewesen und er ist einer, der heute für Bosnien spricht.


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