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Navigator durch Textlandschaften

Zu Walter Gronds Essayband „Vom neuen Erzählen – Gipfelstürmer und Flachlandgeher“

Von Andrea Diener

 

Walter Gronds Buch versammelt Essays, Gespräche und E-Mail-Dialoge zu zwei grundlegenden Themen: wie Sprache und Literatur sich im Informationszeitalter behaupten und zweitens, wie Sprache und Literatur zwischen Milieus und Kulturen vermitteln können.

Innerhalb dieser Problemfelder kann sich Sprache in zweierlei Weisen verhalten: monologisch, ich-bezogen, zielgerichtet, eben gipfelstürmend, oder - ganz anders - dialogisch, vielleicht nirgendwo ankommend, dabei aber weit herumkommend, ohne Zentrum und irgendwo zwischen klassischer Fiktion und Remix. Die Selbstdarstellungsliteratur, die sich häufig durch öde sprachliche Monokultur auszeichnet, findet nicht das Wohlwollen Gronds, Einseitigkeiten sind ihm ein Gräuel, vielmehr sieht er die neue Rolle des Erzählers als die eines Navigators durch Textlandschaften.

Leider und konsequenterweise erweist sich gerade das, was Grond fordert, die Unzentriertheit und Fragmentarisierung, als die Schwäche des Buches. Allzu oft bleiben Behauptungen wie Slogans im Raum stehen, deren Vertiefung und Ausarbeitung man sich gewünscht hätte. Im ersten Essay "Vom neuen Erzählen", einem Nachsatz zum vorangegangenen Band "Der Erzähler und der Cyberspace", wird am Beispiel des Internet-Tagebuchs "Abfall für Alle" (von Rainald Goetz) gezeigt, warum ein derart selbstzentrierter Ansatz, obwohl von der etablierten Kritik gelobt, laut Grond an der Zielgruppe scheitern musste: Der Text krankt an mangelnder Usability, von Grond gut österreichisch "Benützerfreundlichkeit" genannt. Diese Zielgruppe, die jungen Menschen als Internetbenutzer also, sind bei Grond leider allzu oft eine homogene Gruppe - die "jungen Kritiker", denen grob vereinfachend Attribute wie cool, infantil und rational zugeschrieben werden. Geplagt von elektronischen Sackgassen und Fehlermeldungen, verlangt dieser Informationsnachwuchs von Texten neuerdings eine lineare Erzählstruktur. Auf welche veränderten Grundbedingungen muss Literatur sich nun also einstellen?

Eindeutige Antworten gibt Grond nicht, in den Gesprächen und E-Mail-Dialogen werden hingegen verschiedenste Ansätze vorgeschlagen und diskutiert. Im Umgang mit den Gesprächspartnern lockert sich auch die etwas zu theoretische Sprache Gronds, die die Essays nicht gerade zu einem Lesevergnügen macht, denn Verknappung trägt nicht immer und überall zum Verständnis bei. Erklärt wird nicht in diesem Buch; der Leser sollte hinlänglich mit der Problematik der Sprache im Medienzeitalter vertraut sein, da er trotz reichlichen Namedroppings nicht einmal eine Bibliografie geliefert bekommt. Ja und wo bleibt sie nun, die Benützerfreundlichkeit?

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Walter Grond: Vom neuen Erzählen. Gipfelstürmer und Flachlandgeher.
Haymon Verlag, Innsbruck 2001.
180 Seiten, 17,40 EUR.
ISBN 3-85218-363-4


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letzte Änderung: 01/07/2002 15:22:48
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