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7. März 2002, 08:12

Der Chatroom als Salon

Das Collegium Helveticum geht ins Netz

«Schreiben am Netz. Literatur im digitalen Zeitalter» heisst das jüngste Projekt am Collegium Helveticum der ETH Zürich. In einem virtuellen Salon - und auf NZZ Online - werden Themen um Schreiben und Technologie diskutiert.

Mit dem Projekt «Schreiben am Netz» öffnet sich das Collegium Helveticum der interessierten Öffentlichkeit und gewährt via Internet Einblicke in die Arbeit von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern. Vom 5. bis zum 7. Juni soll das Thema daselbst an einem Symposium verhandelt werden. Vorab wird in einem virtuellen Salon über Schreiben, Denken und Arbeiten im digitalen Zeitalter diskutiert. «Ein Experiment», sagt Johannes Fehr, Stellvertretender Leiter des Collegium Helveticum und verantwortlich für das Netz-Projekt, das nicht auf dem Hype der letzten fünf Jahre gewachsen, sondern tief in den letzten Jahrhunderten verwurzelt ist. Denn seit am 24. Mai 1844 über die 64 Kilometer lange Leitung von Baltimore nach Washington der folgende Satz zurückgesandt wurde: «What hath God wrought! Roger!» («Was Gott erwirkt hat! Verstanden!») und damit die Funktionstüchtigkeit des telegrafischen Systems von Samuel Morse öffentlich bewiesen wurde, kann mitverfolgt werden, wie die technische Reproduzierbarkeit von Sprache diese auch beeinflusst. «Nur, wirklich erforscht sind diese Zusammenhänge bis heute nicht», erklärt Johannes Fehr, der sich mit der Theoriebildung in der Sprachwissenschaft seit langem intensiv befasst. «Welche Auswirkungen das digitale Zeitalter auf das Schreiben hat, dieser Frage wollen wir nun im Experiment nachgehen.»

Wie die Teilnehmenden die Themen und das Internet als Diskussionsplattform annehmen werden, sei völlig offen. «Aber dass Autoren, Wissenschafter und Künstlerinnen von Ägypten über Aggsbach in der Wachau bis Berlin sich an einem Dialog über das alle miteinander verbindende Medium beteiligen, kann auf vielfältige Weise spannend werden», sagt Fehr, und er wirft Fragen auf, die um die Verlässlichkeit und die Dauerhaftigkeit des im Netz Geschriebenen kreisen und um die Deutungen der hinterlassenen Spuren. Damit die virtuellen Gäste aber trotzdem so etwas wie eine gemeinsame Raumerfahrung - Pendant zum Salon - machen können, wird das Ambiente am Collegium Helveticum der Diskussion auf http://moo.collegium.ethz.ch vorangestellt.

Die ersten beiden Salons vom 11. und 25. März im Rahmen des Projekts «Schreiben am Netz» werden vom Germanisten Martin Stingelin (Universität Basel) moderiert. Sie stehen unter dem Thema «Unser Schreibzeug arbeitet mit an unseren Gedanken». Johannes Fehr hat den Fachkollegen eingeladen, weil dieser ebenfalls seit langem am Thema der Veränderung der Sprache und des Schreibens in Abhängigkeit von technologischen Fortschritten arbeitet. In seinem Nationalfondsprojekt zur Geschichte des Schreibens vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart forscht Stingelin in einem eng verwandten Gebiet.

Für die beiden Salons vom 8. und 22. April wurde der Kulturphilosoph Georg Christoph Tholen, seit März 2001 Leiter des Instituts für Medienwissenschaft der Uni Basel, gewonnen. «Zwischen den Medien. Hybride Horizonte» sind seine Salonrunden überschrieben. Dazu hat er u. a. Peter Weibel vom Zentrum für Kunst- und Medientechnologie in Karlsruhe (ZKM), die Publizistin Villö Huszai sowie den Göttinger Germanisten Roberto Simanowski eingeladen, der mit seiner Website «dichtung-digital.de» ein Forum für Netzliteratur initiiert hat. Mit Susanne Berkenheger wird sich eine praktizierende Netzliteratin in den Dialog einmischen.

Der Literaturwissenschafter Klaus Zeyringer lädt am 6. und 13. Mai zu den beiden letzten Salons vor dem Symposium ein. Sie sollen im Zeichen der gesellschaftlichen Auswirkung des Internets stehen («Globalisierte Kulturmatrix? Kriegsspiele und Dialoge»). Dass auf seiner Gästeliste auch der bosnische Autor Dzevad Karahasan steht, ist wie vieles mehr einem Dossier auf NZZ Online zu entnehmen.

Elisabeth Tschiemer, Daniele Muscionico

Mitmachen unter: www.collegium.ethz.ch/index.en.html; NZZ-Dossier: www.nzz.ch/schreiben-am-netz.

Das Symposium «Schreiben am Netz. Literatur im digitalen Zeitalter» findet vom 5. bis zum 7. Juni am Collegium Helveticum der ETH Zürich statt.

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