local task 2003 - net art | die verschwundene galerie

meta: dom im berg
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21.08.03: Graz, Doppel-Slot: The Long Distance Howl

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Report von Dagmar Eberhardt

Krusche & Konsorten: maßlos überzogen - die Zeit, die ihnen zu Verfügung stand.

Und er hat auch ein Souvenir mitgebracht: Jane Doe. Das Bild jener Pappfigur, die von einem "Unbekannten" in der Grazer Innenstadt unlängst aufgestellt wurde, hatte Martin Krusche "geswept" und getauft: Jane Doe steht für die Unbekannte im Amerikanischen. Um gleich von Anfang an eine Legitimation für das Folgende abzugeben, liest Martin K. den Artikel 19 der Menschenrechte vor. Informationen und Ideen, ohne Rücksicht auf Grenzen zu empfangen, zu suchen und zu verbreiten: diesen Anspruch muß (nicht nur kann) jeder Mensch geltend machen. Mit allen Verständigungsmitteln und ohne Grenzen darf dies vor sich gehen. Kommunikation auf allen Breiten und Wegen.

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Die folgende musikalische Einspielung stammt von einer Jörg Vogeltanz-CD, und leitet direkt über in das E. List-Zitat, die Kunstgängerin. Die Philosophin beschäftigt sich insbesonders mit Leibhaftigkeit, Virtualität, Politik (und so weit ich von meinen Seminaren weiß: mit Schmerz). List bezieht sich auf Hannah Arendt's Buch "Vita activa".

Vor allem das Handeln und Sprechen sind die Wesensmomente der menschlichen Existenz. (Auch Cassirer definiert in seinem der Symboltheorie verpflichteten Werk, die menschliche Existenz durch das Handeln, durch das Schaffen von Symbolen.) Aus der Fähigkeit zum Sprachgebrauch und zu kommunizieren entsteht Politik. Das ist genau das, was lokale Netzbetreiber und User tun, wodurch Virtualität und Realität verbunden. Die Long Distance Howl hat ihren Ausgangspunkt im Politischen im Hinblick auf Leib und Raum .Mit Leib und Seele für eine Meinung einstehen!

Aus Daten werden Informationen, aus Information wird Wissen. Die daraus entstehende Domäne von Eliten, die sich für ihre eigene Legitimation bevorzugen, soll gebrochen werden.
Martin Krusche gibt nun das Wort weiter, um die Gäste zu Statements bezüglich Netzkunst und Politik aufzufordern. Eine pessimistische Sichtweise kommentiert Adrian X, ein Pionier der Medienkunst: Kommerzialisierung und politischer Aktivismus spielen zunehmend eine wichtige Rolle im Netz. Auch sei er enttäuscht, "weil ich auch selber keine Ahnung habe". Anita äußerte sich kurz und bündig: "Ohne Netz keine Politik."

Seit 10 Jahren gibt es das Internet (in der allgemeinen Distribution), ein Jahrzehnt voller Hydes und Legenden. Ein Mythos ist entstanden, der von der Industrie aufgegriffen wurde. Martin K. gibt eine Metapher vom Propheten Jonas : verschluckt vom Wasser, von der Erde, im Bauch des Wales. Ein interessanter Vergleich : das Alte Testament mit Netzkunst. Mündliche Überlieferung bewirkt ein Heiliges Buch, und noch mehr :eine, nein mindesten zwei Religionen stützen sich darauf. Unsere Religion? Das Netz, und nichts als das Netz??

Zitate aus William Gibsons Buch der "New Romancier", (1980-er), beschreiben die Matrix als im Primitiven wurzelnd. Am Anfang war der Mythos. (Cassirer:...daraus entwickelt sich mit dem ersten Werkzeuggebrauch Kultur). Elektroden an der Stirn, Katheder in der Hose, fliehende Lichter einer Stadt: der Lazarus des Kyberspace. So eine Passage (tw.) des SciFi-Romans. Das Atmen wird von der Maschine erledigt. Die Seele verbirgt den Schrecken in einem EDV-gesteuerten Leben.

Letztlich gibt es eine grundlegende Überlegung zu veranschlagen, wie weit man es zuläßt, dass eine Maschine menschliche Handlungen übernimmt. Produzieren die Neuen Medien wegen der Möglichkeit der enormen Ausdrucksmöglichkeiten eine Generation von neuen Genies? Als optimistische Deutung des hypes wird das Genie vielleicht überschätzt, oder zu hübsch zurechtgemacht. Bill Gates könnte mit seiner Aussage, dass der Charme der elektronischen Welt in der kostenfreien Bildungsmöglichkeit liegt, für den Nobelpreis [für gehobene Geschwätzigkeit] vorgeschlagen werden.

Ein total dokumentiertes Wissen ist abschreckend: ebenso ein total ästhetisiertes. Martin Krusche meidet den Terminus Netzkunst, er plädiert für eine Kunst unter Bedingung der Vernetzung: art under net-conditions, und dies erfolgt mit einer äußert bildhaften Sprache.


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