Report von Dagmar Eberhardt
Krusche & Konsorten: maßlos
überzogen - die Zeit, die ihnen zu Verfügung stand.
Und er hat auch ein Souvenir
mitgebracht: Jane Doe. Das Bild jener Pappfigur, die von einem "Unbekannten" in
der Grazer Innenstadt unlängst aufgestellt wurde, hatte Martin Krusche
"geswept" und getauft: Jane Doe steht für die Unbekannte im Amerikanischen. Um
gleich von Anfang an eine Legitimation für das Folgende abzugeben, liest Martin K. den
Artikel 19 der Menschenrechte vor. Informationen und Ideen, ohne Rücksicht auf Grenzen zu
empfangen, zu suchen und zu verbreiten: diesen Anspruch muß (nicht nur kann) jeder Mensch
geltend machen. Mit allen Verständigungsmitteln und ohne Grenzen darf dies vor sich
gehen. Kommunikation auf allen Breiten und Wegen.
Die folgende musikalische Einspielung
stammt von einer Jörg Vogeltanz-CD, und leitet direkt über in das E. List-Zitat, die
Kunstgängerin. Die Philosophin beschäftigt sich insbesonders mit Leibhaftigkeit,
Virtualität, Politik (und so weit ich von meinen Seminaren weiß: mit Schmerz). List bezieht sich auf
Hannah Arendt's Buch "Vita activa".
Vor allem das Handeln und Sprechen sind
die Wesensmomente der menschlichen Existenz. (Auch Cassirer definiert in seinem der
Symboltheorie verpflichteten Werk, die menschliche Existenz durch das Handeln, durch das
Schaffen von Symbolen.) Aus der Fähigkeit zum Sprachgebrauch und zu kommunizieren
entsteht Politik. Das ist genau das, was lokale Netzbetreiber und User tun, wodurch
Virtualität und Realität verbunden. Die Long Distance Howl hat ihren Ausgangspunkt im
Politischen im Hinblick auf Leib und Raum .Mit Leib und Seele für eine Meinung einstehen!
Aus Daten werden Informationen, aus
Information wird Wissen. Die daraus entstehende Domäne von Eliten, die sich für ihre
eigene Legitimation bevorzugen, soll gebrochen werden.
Martin Krusche gibt nun das Wort weiter, um die Gäste zu Statements bezüglich Netzkunst
und Politik aufzufordern. Eine pessimistische Sichtweise kommentiert Adrian X, ein Pionier
der Medienkunst: Kommerzialisierung und politischer Aktivismus spielen zunehmend eine
wichtige Rolle im Netz. Auch sei er enttäuscht, "weil ich auch selber keine Ahnung
habe". Anita äußerte sich kurz und bündig: "Ohne Netz keine Politik."
Seit 10 Jahren gibt es das Internet (in
der allgemeinen Distribution), ein Jahrzehnt voller Hydes und Legenden. Ein Mythos ist
entstanden, der von der Industrie aufgegriffen wurde. Martin K. gibt eine Metapher vom
Propheten Jonas : verschluckt vom Wasser, von der Erde, im Bauch des Wales. Ein
interessanter Vergleich : das Alte Testament mit Netzkunst. Mündliche Überlieferung
bewirkt ein Heiliges Buch, und noch mehr :eine, nein mindesten zwei Religionen stützen
sich darauf. Unsere Religion? Das Netz, und nichts als das Netz??
Zitate aus William Gibsons Buch der
"New Romancier", (1980-er), beschreiben die Matrix als im Primitiven wurzelnd.
Am Anfang war der Mythos. (Cassirer:...daraus entwickelt sich mit dem ersten
Werkzeuggebrauch Kultur). Elektroden an der Stirn, Katheder in der Hose, fliehende Lichter
einer Stadt: der Lazarus des Kyberspace. So eine Passage (tw.) des SciFi-Romans. Das Atmen
wird von der Maschine erledigt. Die Seele verbirgt den Schrecken in einem EDV-gesteuerten
Leben.
Letztlich gibt es eine grundlegende
Überlegung zu veranschlagen, wie weit man es zuläßt, dass eine Maschine menschliche
Handlungen übernimmt. Produzieren die Neuen Medien wegen der Möglichkeit der enormen
Ausdrucksmöglichkeiten eine Generation von neuen Genies? Als optimistische Deutung des
hypes wird das Genie vielleicht überschätzt, oder zu hübsch zurechtgemacht. Bill Gates
könnte mit seiner Aussage, dass der Charme der elektronischen Welt in der kostenfreien
Bildungsmöglichkeit liegt, für den Nobelpreis [für gehobene Geschwätzigkeit]
vorgeschlagen werden.
Ein total dokumentiertes Wissen ist abschreckend: ebenso
ein total ästhetisiertes. Martin Krusche meidet den Terminus Netzkunst, er plädiert für
eine Kunst unter Bedingung der Vernetzung: art under net-conditions, und dies erfolgt mit
einer äußert bildhaften Sprache. |