OffCity
Hacking the Future im Nebenerweb |
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"Boom boom
boom"
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Von
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Polis. Das ist die abgebl�tterte Ikone
der Gleichen unter Gleichen als freie B�rger, Besitzer des Logos. Ein
Minderheitenprogramm. Stadt. Das hie� unl�ngst vor allem: Kristallisationspunkt
eines B�rgertums, das sich wirtschaftlich, politisch und kulturell gegen die alten
Bindungen durchsetzen konnte. Heute: allen Subkulturen spottend, sich als Ma� der
kulturellen Dinge geb�rdend. Eben noch: Menschen, die sich in den Ideen "Stadt"
und "B�rgertum" vom P�bel abgrenzten, ethnische Diskurse durchfochten und - in
Auflehnung gegen Dynastien - in die Lage kamen, die "Nation" als eine ihrer
radikalsten Erfindungen zu realisieren. Das mu� wohl - wie auch immer - unserer Kultur
eingeschrieben sein. Stadt. Das ist die Legende von der Wucht, der Pracht, der Konzentration von Mitteln und M�glichkeiten. Es kann kein Zufall sein, soviel blo� als Notiz, da� die extreme Rechte heute folgendes Bild hochh�lt: Dom, Palais und Stadtmauer. Das meint: Bischof, F�rst und B�rgertum. Kein Platz f�r den P�bel - dort, wo Stadt sein soll. Das agrarische und industrielle Gesindel und seine Nachfahren w�nscht man sich au�erhalb dieses Arrangements. So hat es auch einer wie ich gelernt, von D�nkeln geduckt: was Literatur, was Malerei, was Musik, was eben Kunst sei. Das hat den Schund immer ausgeschlossen. Entweder oder ... hie� es. Dabei hat nicht Goethe die Literarit�t der Massen vorangebracht. Das geschah durch Groschenhefte. Es hat Jahre gedauert, bis zu ahnen war: hier emanzipiert sich nun Gesindel. Hier emanzipiert sich heute kulturell ein St�ck Kleinb�rgertum ... unter Spott und Absch�tzigkeit derer, die �sthetisch schon aufgestiegen sind oder l�ngst dort waren. Dort, wo es inzwischen aufgeh�rt hat, eine Klasse zu sein. Heute, drau�en im WebSpace (ich nenne es nicht CyberSpace) sind wir, Gesindel, frei von dieser Absch�tzigkeit der alten Eliten und der radikalen Aufsteiger, die sie umschw�rmen. Frei von dieser erlesenen "Entweder-Oder-Kennerschaft" derer, denen es dort drau�en / drinnen meist noch die Rede verschl�gt. Im WebSpace. Und der ist vorl�ufig auch blo� ein kleines Extrazimmer in unserem Alltag. Das Entweder-Oder ist auszuschlagen. Es mu� hei�en: sowohl als auch. Es mu� auf das Feuilleton n�tigenfalls verzichtet werden, wenn man uns dorthin nicht folgt ... in den Raum / Speicherraum der Netze, die die Extra- und Hinterzimmer, in die K�chen, in die unspektakul�ren R�ume kulturellen Geschehens. In alles, was der Sachwalterschaft schwindender, b�rgerlicher Zentrumsrelevanz die Provinz ist. Ich bin ein Bewohner der Provinz, bin ohne nennenswerte Meriten ein Teil des kulturellen Lebens in diesem Land, das in der Stadt immer noch den idealen Ort vermuten l��t - wo man im Verh�ltnis von Zentrum und Provinz zueinander wenig Neues zu suchen geneigt ist. Als w�re das nicht blo� Gedankengut. Ein Modell: Zentrum / Provinz. Und da� sich beides zueinander verhalte. Auf eine bestimmte Art. Ich bin Haumeister der Virtuellen Akademie Nitscha. Ein virtueller Raum, verankert in einer sehr kleinen, l�ndlichen Gemeinde, die Provinz der Provinz ist, Peripherie eines Subzentrums jenseits von Graz. Graz, das mu� wohl nicht gro� berichtet werden, halten manche f�r die viel zu heimliche Literaturhauptstadt Europas. Gut. Aus meiner Sicht zeigt es sich so: wenn dieses Graz nicht der Nabel der Welt ist, dann kann Nitscha auch nicht der Arsch der Welt sein. Das gen�gt mir vorerst. Leben und Schreiben kann man da wie dort. Ich lebe und arbeite offCity. Das gen�gt mir vorerst. W�hrend viele Schreibende die Steiermark verlassen haben, in das "Zentrum Wien" gingen, sich bessere Bedingungen erhoffend, bin ich vor Jahren sogar vom "Zentrum Graz" abger�ckt. OffCity. Schweigen als Zwischenstation. Heute verzichte ich darauf, mich als Schriftsteller herauszustellen. Ich verzichte auf diese langweilige Staffage mit den Attributen eines Autors des 19. Jahrhunderts. Ich verzichte auf die Versprechung einer Legitimation aus 2500 Jahren schriftlich dokumentiertem Diskurs, was "wahre Kunst" sei und was nicht. Ich verzichte auf die erm�denden Klagen der Schreibenden, die seit 150 Jahren gleich klingen. All das konstituiert nat�rlich keine Art von Avantgarde. Es erleichert blo�. Hacking the Future hei�t f�r mich: Zugriff auf das zu bekommen, was vor uns liegt. Mit �sthetischen, sozialen und politischen Mitteln. Mit den jeweils wechselnden Priorit�ten, dieses oder jenes Mittel bevorzugend. Aus dem Alltag heraus. Weil mir diese aristokratische Attit�de konventioneller Kunstschaffender heute l�cherlich erscheint ... diese Pose, sich selbst aus dem Alltag zu suspendieren, nur sich und seinem Werk verpflichtet. Weil mich das nicht interessiert, da ich auch noch anderes zu tun hab, rede ich von Hacking the Future im Nebenerwerb. OffCity. Denn die Telekommunikation erlaubt uns, neues Kommunikationsverhalten zu entwickeln. Sie generiert dieses Verhalten allerdings nicht. Das alte Denkmodell Zentrum / Peripherie hat ausgedient, erkl�rt nichts mehr, au�er da� es Retrospektiven erkl�rt, antiquierte Gesten. Das gilt nicht nur f�r Orte, sondern auch f�r Personen. "Ich: das Zentrum." "Mein Werk: das Zentrum." Der Rest: Peripherie? Technologiesch�be ersparen uns kaum etwas. Sie erledigen nichts f�r uns. Auch das Telefon wurde einst als "intelligente Technologie" betrachtet. Da fragte der Autor Walter Klier: "Wenn nun zwei Deppen miteinander telefoniert haben - was war das dann?" Online zu sein erledigt also nichts f�r uns. Online - das ist f�r mich nur eine Paraphrase auf live dabei. Und live dabei hei�t in meinem Milieu etwas gro�spurig: die Action ist da, wo ich bin. Sowas l��t ahnen: live dabei, das ist eine Konstruktion. Inszenierung. Die online-Existenz schielt auf das Ideal der Dorfgemeinschaft, entwirft Stadtmetaphern und konstruiert im WebSpace ein Pseudo-Wir, das so vage und egoistisch bleibt, wie die Idee von der Volksgemeinschaft; unter Verzicht auf reale Begegnung. Wir haben alle Gr�nde, solche Konstruktionen wachsam zu pr�fen. Sowas l��t ahnen: die Egomanennummer ist ein Witz. Das Genie ist keine relevante Kategorie im Web. Ich und mein Werk! Wen interessiert das schon? Schriftsteller, die bisher von den Verwertern ihrer Literatur meist �ber den Tisch gezogen wurden, ihr Copyright f�r ein Butterbrot verscherbelt haben, Leute, die l�ngst wu�ten, da� man in �sterreich f�r das Verwerten von Ideen besser bezahlt wird als f�r das Haben von Ideen, schwitzen nun, da� die sogenannten Neuen Medien ihr Urheberrecht aush�hlen k�nnten. Wen interessiert das schon? Ich hab sehr viel �ber das gelesen, was in Netzen m�glich sein soll. Was ich gelesen hab, war bisher allemal aufregender als das, was ich in den Netzen erlebt habe. Es sind demnach immer noch prim�r die Texte und nicht das Medium, woraus ich die wichtigsten Kicks beziehe. Das ist f�r Schreibende ja keine schlechte Nachricht. Oder? Die online-Existenz bleibt vorerst utopischer Stoff, Hypertext kann kaum mehr, als Literaturen schon l�ngst konnten. Ich bin kein Surfer. Wozu? Miese �bertragungsraten und hohe Telefonkosten lassen einem ernsthafte Umtriebe im Web sauer werden; erst recht den M��iggang. Denn wenns nur ums Vergn�gen geht, will ich das Vergn�gen schnell ... und satt. Nicht d�nn und schleppend. Ich bin ein Floater. Das h�ngt nicht blo� am WebSpace. Man kann es an meinem Haus sehen, durch das eine Schneise f�hrt. Sie beginnt bei der Haust�r, f�hrt am K�chentisch vorbei, durch einen Vorraum, die Treppe hoch, durch meine Bibliothek in mein B�ro, an meinen Computer. Entlang dieser Schneise lagern st�ndig Papiere, B�cher, Bl�tter, Zeitschriften, Notizhefte, CDs ... Was zwischen mir und diesen Elementen geschieht ist gew�hnlich ziemlich offen, manchmal alles andere als zielgerichtet, aber doch in einem M�glichkeitsraum strukturiert, den ich durch die laufende Auswahl, Benutzung und Umw�lzung der Einzelteile entwickle. In diesem wie ein Mobile angelegten Kr�ftespiel flie�t allerhand, ist ein Herumstreunen, auch Suchen, nicht g�nzlich organisiert, nicht g�nzlich planlos. Fluktuierende Vorhaben, launenhafte Zugriffe ... floaten. Mehr ist dazu nicht zu sagen. All das l��t auch ahnen: wir sind der Prim�rstoff. Es gibt kein Denken ohne den Leib. Platon ist l�ngst revidiert. Descartes Irrtum hat sich herumgesprochen. Die Robotiker sind - neben der Ich-und-mein-Werk-Egomanennummer - der zweite gro�e Witz in dieser Geschichte. Geist auf Maschinen zu �bertragen. Ein Download; das Fleisch zu verwerfen ... so grotesk wie aussichtslos. Ein Fall f�r den Kr�ppelkn�ppel. Das l�uft dann so, da� der Exekutor, The Big Bad One, dich anschaut, m�de l�chelt und sagt: "Dir gehts wohl zu gut?", worauf er dir mit dem Kr�ppelkn�ppel die Kniescheibe raushaut. Die linke oder die rechte. Darfst du dir selbst aussuchen. Dann kannst du zum Beispiel, wenn der Flash abklingt, wenn die Neuronenensembles nicht mehr so heftig feuern, das Knie einmal nach hinten durchbiegen. Wie ein Flamingo. Aber es wird nichts mehr sein, wie es vorher war. Denn: das Fleisch spricht. Es brennt, wenn du es zum Klingen bringst. Das Fleisch hilft denken. Ein Geist-auf-Maschine-Download w�rde nichts dergleichen tun. Denken ist sch�n, wenn man das mag. Doch es wurzelt in brennendem Fleisch. In einer empfindsamen, verletzbaren Leiblichkeit. Der Geist hat keine Emotionen. Aber der Leib hat uns. Brennendes Fleisch. Wetware. Eine Existenz ohne Sekrete und ohne dieses Brennen der Nerven und Emotionen ist ein Witz, ist sozusagen Platon zum Kotzen. Hacking the Future. Ich gehe online, weil ich Erweiterungen suche. Es geht um EDV-gest�tzte Vernetzung und nicht um vernetzte EDV. Ich bin ein Low-Tech-Netizen. Ich fahre manche Anwendungen noch unter MS-DOS und kenn mich auf der Kommandoebene aus. Das ist nat�rlich genauso zickig, als w�rde man einen alten Ford Cortina jedem zeitgem��en Japaner vorziehen. D�nkelhaftigkeit. Hier ist nichts elegant. Hier sagt niemand: Avantgarde. Wir Low-Techs haben andere Sorgen. Das wars, Leute. Stay tuned! [11/98]
24/10/97. Martin Krusches Virtual Trash |
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